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Konrad Krimm
Lehrer oder für die Hebamme. Aus der Sicht des badischen Beamten ist
dies im neuen Zeitalter der Vernunft reiner Starrsinn; er rechnet vor, dass
die stättische Bürger dahier unter der Renitenz, nicht in der Vorstadt zu
wachen, wozu sie blos eine falsche Einbildung, als wäre solches ihrer
Freyheit und Ehr nachtheilig, vermöget, den größten schaden leiden, maßen
, da die Vor stättische, eben auch nur aus Eigensinn, nicht herinnen,
wann erste nicht auch draußen wachen wollen14. Die Patrouillen gelten vor
allem herumstreifendem Gesindel, wir bewegen uns in der Zeit der allgemeinen
Verelendung durch die europäischen Kriege am Oberrhein in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts; da nur 20 Innerstädter zur Verfügung
stehen (die Amtleute sind von Wachdienst befreit), kommt jeder wöchentlich
daran - die über 80 Außerbürger trifft es nur alle zwei Wochen. Der
Beamte kennt aber den Kern dieses Konflikts sehr gut und resümiert kühl:
So duncket mich nicht, dass die Vorstättische deßwegen, weil sie gnädiger
Herrschaft mit leibeigenschaft verhaftet, deren stättischen Knecht seyen.
Konstant ist also im 17. wie im 18. Jahrhundert das Bedürfnis der
Außerbürger, den Innerbürgern, mit denen sie die gemeinsame Lebenswelt
ja teilen, rechtlich gleichgestellt zu sein. Dabei sind beide Parteien, die von
innen und die von außen, durchaus auf dieselbe Art auch prozessbereit.
Wenn das Amt 1755 zunächst zugunsten der Außerbürger entscheidet und
- was von der Obrigkeit aus gesehen naheliegt - von den Innerbürgern allgemeinen
Wachdienst und Holzmachen verlangt, fordern diese sofort einen
„Apostelbrief', eine Urteilsbestätigung, um dagegen höheren Orts protestieren
zu können. Wenn die Herrschaft wie im Fall der Fuhrfronen einen
der drei Pferdebesitzer als Freien von der Fron ausnimmt, verlangen die
Gegner von der Herrschaft einen schriftlichen Beweis dieses Privilegs (das
zeitweise nämlich verloren gegangen schien); mit einem Spruch von oben
lässt sich niemand so schnell ruhigstellen. Überhaupt treten die Untertanen
vor der Herrschaft selbstbewusst auf, sie argumentieren geschickt und vor
allem beharrlich. So verweisen die Fronbauern 1667 darauf, dass die Fuhrfron
mit Pferden früher stets alle getroffen habe. Das gelte nur für die Zeit
der Okkupation, kontern die Metzger, als Markgraf Georg Friedrich tatsächlich
Fronen von allen erzwungen habe - damit wird der Prozessgegenstand
wirkungsvoll in den Zusammenhang des Konfessionskonflikts gerückt
, werden die aufgeheizten Jahre vor dem Großen Krieg assoziiert, in
denen die evangelische Linie der Markgrafen den katholischen Landesteil
besetzt und widerrechtlich darin geschaltet hatte, bis das kaiserliche Heer
dem Schrecken endlich ein Ende machte. Diese Volte verrät rhetorische Juristenkunst
, mehr als 50 Jahre nach dem Geschehen, denn wer will gemeinsame
Sache machen mit Rechtsbrechern wie den Wüstgläubigen!
Wenn die Herrschaft dann ihre Entscheidung wie so gerne hinauszögert,
erlauben sich die Fronbauern eine untertänigste Anmahnung und setzen
mit der Forderung von Schadensersatz für 6 Jahre zuviel geleisteter Fron
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