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Manfred Merker
Jahrhundert v. Chr.? Generationen von Homerlesern haben das geglaubt
und das kleine Werk zusammen mit den 48 Büchern seiner beiden großen
Heldenepen und den Hymnen überliefert und sogar zum Teil begeistert
weitergedichtet. Über 100 Handschriften vom 10. bis zum 17. Jahrhundert
haben das Werk über die Zeiten gerettet. Das Homer zugeschriebene lustig
-ernste Kleinepos wurde später ein Lieblingstext der Renaissance und
des Barock und sollte Schulkinder altersgerecht in die Sprache des ersten
großen Dichters Europas einführen. So hat der Humanist und Theologe
Philipp Melanchthon das witzige Tiergedicht zu seinem Tübinger Griechischunterricht
genauso herangezogen, wie es dann der Konstanzer Griechischprofessor
Weißgerber und seine Kollegen 300 Jahre später in Offenburg
getan haben. Auch Goethe war der Text bestens bekannt. Der jesuitische
Rhetorikprofessor Jacob Balde (1604-1668) aus dem benachbarten
Ensisheim im Elsass dichtete den Froschmäusekrieg auf Lateinisch, auf
fünf Bücher erweitert, mit viel Sprachwitz und zeitgenössischen Anspielungen
nach: „tuba Romana cantata et Aevo nostro accomodata" (1647).
Zwei Exemplare dieses „deutschen Horaz" aus dem Besitz des Offenburger
Franziskaners L. Schmautz (anno 1705 ) gehören zu den Schätzen der
Historischen Bibliothek mit einer kritischen Randnotiz von Weißgerber
1842: „non dubitat de Homerica origine" („er glaubt noch an die Autorschaft
Homers"!).17 Der Magdeburger Gymnasiumsdirektor Georg Rollenhagen
(1542-1609) hatte es 1595 und in zahlreichen späteren Auflagen
mit seinem deutschen „Froschmeuseler" in 19.000 Versen auf über 660
viel gelesene Seiten erweitert! Das bedeutendste Zeugnis der Rezeption ist
die italienische Nachdichtung von Giacomo Leopardi 1831-1837. Zu den
heute über zwei Dutzend deutschen, zum Teil metrischen Nachübersetzungen
und bebilderten Versuchen als Tierhumoreske mit altdeutschen Kinderreimen
, gesellt sich im Internet mit seinen 33.310 einschlägigen Einträgen
(Seite 19, vierter Titel: die japanische Fassung!) aktuell ein nachdichtender
Poet namens Aristoquakes mit vielen eigenen Versen und Zeichnungen
, der den Froschmäusekrieg - auch eine Deutungsmöglichkeit! - als
Antikriegsepos auffasst.
Das hochtrabende Reden und hochstilisierte Handeln von Mäusen mit
Heldennamen wie Psicharpax (Krümelklauer), Pternophagos (Schinkenschlucker
) und Fröschen namens Physignatos (Blasebacke) und Hydrome-
dusa (Nasstrude) im Habitus homerischer Helden, ferner das karikierte
Versagen der olympischen Götter und das tragikomische Gehabe im trojanischen
Streit der Mäuse am Teich der Frösche macht den pseudohomerischen
Froschmäusekrieg zu einer der gelungensten literarischen Parodien
der Antike.18 Lassen wir zum Abschluss dazu noch einmal, wie oben (Abb.
6), den Basler Humanisten und Drucker Froben (1518) zu Wort kommen:
„quisquis fuerit, qui Homerum aemulatus poemation eius luserit, divinum
ingenium ex hoc poematio satis abunde eluxit.." „Wer auch immer es war,
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