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Friedrich Wilhelm Hermann (1859-1943)
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nichts wissen wollen, zum Verschlucktwerden verurteilt sind. Wir in
Offenburg müßten uns mit Händen und Füßen dagegen wehren,
wenn mit der Zusammenlegung wirklich Ernst gemacht und uns die
schöne Bezeichnung „Kreishauptstadt" mit rauher Hand genommen
werden sollte. Ich kann versichern, daß in diesem Augenblicke nicht
nur die 18000 Einwohner von Offenburg hinter mir stehen, sondern
auch die übrigen Bewohner unseres Kreises, und wenn ich sie auffordern
würde, nötigenfalls mit mir einen Zug zu unternehmen, um
vor der Wohnung des Herrn Ministers gegen die beabsichtigte Degradierung
zu demonstrieren, so glaube ich, daß sie wohl alle bereit
sein würden, meinem Rufe Folge zu leisten. "34
Nach diesem handfesten Votum schneidet er in dieser Rede noch weitere
wichtige Themen (Gemeindebesteuerung, kommunale Aufwendungen für
Volksschulen, reichseinheitliche Gesetzesgrundlage der Arbeitslosenversicherung
und Überwachung von Kinoaufführungen) an, wobei als Erfahrungshorizont
die kommunale Praxis in Offenburg immer wieder durchscheint
. Das Thema der Arbeitslosenversicherung beschäftigte wenige Wochen
später erneut die Petitionskommission, wobei Hermann sowohl in der
Kommission als auch im Plenum für die Übergangszeit bis zu einer Gesetzesregelung
auf Reichsebene nachdrücklich für einen staatlichen Beitrag
zugunsten kommunaler Unterstützungsinitiativen plädierte, was jedoch abschlägig
entschieden wurde.35
Ebenfalls in einer Sitzung der Ersten Kammer im März 1914 lenkte
Hermann im Rahmen der Diskussion über das neue Finanzgesetz die Aufmerksamkeit
seiner Zuhörer auf den geplanten Neubau eines Justizgebäudes
für die angemessene Unterbringung des Amts- und Landgerichtes in
seiner Stadt:
„Da auch ich Gelegenheit hatte, die Pläne einzusehen, kann ich bestätigen
, was der Herr Berichterstatter gesagt hat, daß das neue Gebäude
eine Zierde für die Stadt Offenburg werden wird. So besteht
für uns die Hoffnung, daß der Fremde, der mit der Bahn nach Offenburg
kommt und sich zunächst über unseren neuen Bahnhof etwas
geärgert hat, beim Betrachten des neuen schönen Justizgebäudes
seine ruhige Stimmung wieder gewinnt und freundliche Eindrücke
aus Offenburg mitnimmt."36
Die hier wie beiläufig angesprochenen Probleme um den Offenburger
Bahnhof (fehlende Gleisübergänge bzw. Unterführung) treten in einer Debatte
über das badische Eisenbahnwesen ins Zentrum, in der Hermann folgendermaßen
das Wort ergriffen hat:
„Durchlauchtigste, Hochgeehrteste Herren! Man wird es gewiß
verstehen, wenn ich mir gestatte, bei diesem Budgettitel einige Wor-
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