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Andreas Gößner
te inbezug aufunsern Personenbahnhof zu sagen. Ich hatte mir vorgenommen
, bei diesem Anlasse, gegen meine sonstige Gepflogenheit
, mit ganz schwerem Geschütz aufzufahren (Heiterkeit), aber die
Stimmung ist unterdessen bei uns eine bessere und ruhigere geworden
, weil man sieht, daß die Großhferzo<gliche] Generaldirektion
[für das Eisenbahnwesen; AG] inzwischen doch zu der Einsicht gekommen
ist, daß es so nicht bleiben kann, daß wirklich große Mißstände
bestehen und man darauf bedacht sein muß, diese Mißstände
abzustellen. [...] Man erzählt sich bei uns - ich weiß nicht, ob es
richtig ist - der Herr Finanzminister sei kürzlich in Offenburg gewesen
und sei [auf dem Weg von der Schalterhalle bzw. einem anderen
Gleis; AG] zu spät auf den Bahnsteig gekommen, weil er den
langen Umweg nicht richtig in Rechnung gestellt hatte. Es mag das
ein „ bene trovato " sein, hängt aber eben damit zusammen, daß die
Verhältnisse in unserem Bahnhof, dem der Volksmund den Namen
„Rennbahnhof" gegeben hat, in diesem Punkte sehr ungenügende
sind. "31
In der selben Rede trat Hermann auch vehement für die Gewährung von
Staatsmitteln für die Gemeinnützige Baugenossenschaft Offenburg38 ein,
deren Mitglieder überwiegend Bahn- und Postangestellte waren. So sollte
gewährleistet werden, dass noch im laufenden Jahr mit dem Bau von Genossenschaftswohnungen
begonnen werden konnte, um den Wohnungsmangel
in der Stadt zu beseitigen. Schon ein Vierteljahr zuvor musste sich
die Erste Kammer mit einer Petition Offenburger Staatsbeamter auf Wohn-
geldzuschuss befassen, die Hermann unter Hinweis auf die zu beobachtende
Steigerung der ortsüblichen Mieten nachdrücklich unterstützte.39 Um
Wohnungspolitik ging es auch in einem Antrag, den Hermann und die anderen
Städtevertreter in einer Sitzung der Ersten Kammer im Juni 1914
über die Ergänzung des Polizeistrafgesetzbuches einbrachten. Hinter diesem
Antrag, in größeren Städten eine Meldepflicht für Wohnungen einzuführen
, stand das Bemühen kommunaler Wohnungsfürsorge, einen stabilen
und überschaubaren Wohnungs- und Mietmarkt zu erhalten.40
Noch im Frühsommer 1914 - am 8. Juni - besuchten der Großherzog
und die Großherzogin die Stadt Offenburg. Der Landesherr holte damit seinen
kurzfristig 1912 abgesagten Besuch nach, und die Stadt bereitete ihm
einen feierlichen Empfang.41 Wenige Wochen später brach der Erste Weltkrieg
aus. Die drei Söhne des Oberbürgermeisters dienten als Soldaten an
den Kriegsschauplätzen in West- und Osteuropa. Seine Frau war neben
ihm im örtlichen Rot-Kreuz-Komitee aktiv. Die Stadt Offenburg und ihre
Bevölkerung hatten unter den Kriegsereignissen unmittelbar zu leiden,
denn es wurden der Bahnhof, das Elektrizitätswerk, das Krankenhaus und
einige Wohnhäuser durch Bomben zerstört. Gerade die städtebaulichen
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