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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 386
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Martin Ruch

wa 250 Juden3 das Leben retten können, was die größte zusammenhängende
Gruppe von jüdischen Holocaust-Überlebenden darstellt.

Das Arbeitsgebiet von Alfons von Deschwanden war das Ersatzteillager
des HKP 562. Der junge Gefreite war hier für logistische Aufgaben (Organisation
, Nachschub) eingesetzt. Von Anfang an war er gewohnt, mit den
jüdischen Zwangsarbeitern, die dem HKP zugeteilt waren, zusammenzuarbeiten
. Hier im Ersatzteillager waren etwa vierzig Personen beschäftigt,
d. h. neben den militärischen Angehörigen des HKP waren es noch etwa
fünfzehn polnische Angestellte und etwa zwölf jüdische Zwangsarbeiter.
Sie trugen ärmliche Kleidung mit dem obligatorischen gelben Stern. Die
Verständigung mit ihnen fand auf Deutsch statt, mit einem von ihnen
sprach Deschwanden auch gelegentlich auf Jiddisch. Der Mann fragte ihn
manchmal: Hobe der gute her nit a biselekh chleb (polnisch für Brot) far
mayne froy un mayne kinderlekh? Darauf habe er ihm etwas Brot gegeben,
was bei strenger Strafe verboten war.

Die Juden waren damals noch im Ghetto interniert, bis es im September
1943 endgültig „liquidiert" wurde. Die Arbeiter kamen morgens zu Fuß
vom Ghetto in den HKP, der Arbeitstag dauerte von 7 bis 18 Uhr. Das Essen
für die Juden war schlechter als das ohnehin schon bescheidene Essen
der anderen Arbeiter, obwohl Plagge auf verschiedene Weise ständig versuchte
, ihre Ernährung aufzubessern. Es gelang ihm auch immer wieder.

Deschwanden berichtet von seinem freundschaftlichen Verhältnis mit
einem jüdischen Zwangarbeiter namens Joseph Panzer, der von Beruf Lehrer
war. Auch mit einem anderen Zwangsarbeiter im Ersatzteillager, Samuel
Taboryski, hatte von Deschwanden guten Kontakt. Als der überlebende
Taboryski in den 1970er Jahren nach ihm suchte und sie dann
schließlich miteinander telefonierten, war nicht nur Deschwanden sehr bewegt
, dass Taboryski hatte überleben können, sondern auch Taboryski rief
ganz aufgeregt: „Sind Sie es wirklich, Herr von Deschwanden?"

Deschwanden war drei Jahre im HKP in Wilna. Als die russische Front
nach Westen vorrückte, war im Sommer 1944 für jeden offensichtlich, dass
der Rückzug der Wehrmacht und damit des HKP 562 unmittelbar bevorstand
.

Neben vielen anderen Erlebnissen bewegt Alfons von Deschwanden
ganz besonders die Erinnerung an die Nacht vom 1. auf den 2. Juli 1944.
Am Abend hatte Major Plagge die Juden in seinem Lager in einer verschlüsselten
Rede noch gewarnt, dass der Rückzug seiner Einheit nun unmittelbar
bevorstünde und sie damit der SS ausgeliefert sein würden. Das
war für die Juden ein eindeutiges und unmissverständliches Signal, sich
nun möglichst zu verstecken und in Sicherheit zu bringen. Auch für von
Deschwanden und seine Mitsoldaten war schon seit Wochen klar, was der
bevorstehende Rückzug des HKP 562 für die zurückbleibenden Juden bedeuten
würde. Wer einen freundlichen Kontakt zu den Juden hatte und ein


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