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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 392
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Uwe Schellinger

Wolf Schmuel Borowitzky wurde am 11. Januar 1892 in Krementschuk
in der Ukraine geboren. Laut seiner eigenen Auskunft hatten seine Eltern
ein großes Warengeschäft, das sie aber später im Zuge der revolutionären
Ereignisse in Russland nicht mehr halten konnten. Borowitzky begann in
Straßburg ein Medizinstudium; während des Ersten Weltkriegs war er in
einem Krankenhaus in Frankfurt/M. tätig. Aufgrund eines eigenen Nervenleidens
befand er sich von 1915 bis 1916 im Schwarzwald zur Kur, zunächst
in Hornberg und danach in Sankt Blasien. Schließlich kam er im
Oktober 1917 nach Nordrach, das von nun an sein Wohnsitz blieb. Borowitzky
wohnte von 1917 bis 1923 im Gasthaus „Stube". Da er von seinen
Eltern keine Unterstützung mehr erhalten konnte, begann er, seinen Lebensunterhalt
damit zu bestreiten, indem er die zahlreichen Nordracher
Kurgäste, darunter auch die Patientinnen der Rothschild-Heilstätte, fotografierte
.

Als im Herbst 1923 in Baden massive Unruhen und Auseinandersetzungen
zwischen den extremen politischen Gruppen ausbrachen - bekannt geworden
sind für die Ortenau vor allem die „Lahrer Hungerunruhen", aber
auch Vorfälle in Offenburg und Durbach5 -, wurde der russische Staatsbürger
Borowitzky offenbar auf dem Hintergrund einer Denunziation vom örtlichen
Polizeiposten observiert. Der Fotograf stand im Verdacht, in staatsfeindlicher
Manier Bolschewismus und Kommunismus zu unterstützen.
Am 24. Dezember 1923 verhaftete man Borowitzky schließlich in seiner
Nordracher Wohnung, die danach von den Polizeibeamten sorgfältigst
nach eventuellem Beweismaterial durchsucht wurde. Der Fotograf wurde
in das Amtsgefängnis in Gengenbach gebracht, obwohl er beteuerte,
schwer krank zu sein. Zusammen mit dem Nordracher Schuster Serge Ou-
lianoff, den man ebenfalls verdächtigte, wurde er in Schutzhaft genommen.
In entlastender Weise sprachen sich für Borowitzky Moses Gutmann, der
Verwalter des Rothschild-Sanatoriums, sowie die „Stuben"-Wirtin Haas
aus. Da man ihm keine bolschewistischen Umtriebe nachweisen konnte,
wurde Borowitzky Anfang Februar nach insgesamt sechswöchiger Haft
wieder aus der Schutzhaft entlassen. Kurz danach, am 5. Februar 1924,
ließ er erzürnt, aber selbstbewusst im Lokalblatt Schwarzwälder Post folgende
Botschaft inserieren: „Der edlen Person (mir bekannt) die mich verleumdet
hat, ich wäre in Süddeutschland an der Spitze der Unruhen gestanden
, zeige ich hiermit an, dass ich wieder wohlerhalten und unversehrt in
Nordrach gelandet bin. Sollte diese Vornehmheit innerhalb von 8 Tagen
mich nicht um Entschuldigung bitten, übergebe ich die Sache einem
Rechtsanwalt."6

Trotz diesen ausgesprochen negativen Erfahrungen blieb Wolf Borowitzky
weiterhin in Nordrach und machte aus seinem Hobby einen Beruf.
Statt einer Laufbahn als Mediziner, wie wohl ursprünglich geplant, rief er
im rege besuchten Kurort Nordrach einen „Vertrieb von fotografischen


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