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Der vergessene Fotograf: Wolf Schmuel Borowitzky aus Nordrach (1892-1940)
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Detail von der Postkarte
„Nordrach: Blick vom Aufn, PhotO-BOTO.
Katzenstein "
Sammlung U. Schellinger
hatte das bestimmende Fachblatt des Fotografie-Handwerks in Deutschland
verlauten lassen, das deutsche Handwerk sei nun „judenrein".16
Borowitzky gelang es nicht mehr, Deutschland zu verlassen. Aus bislang
noch ungeklärten Gründen wurde er zehn Monate nach seiner Entlassung
aus Dachau im November 1939 erneut aus Nordrach verschleppt und
in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Da sein Abtransport
nicht im Zusammenhang mit einer größeren Deportationsaktion steht,
ist nicht auszuschließen, dass Borowitzky erneut infolge einer konkreten
Anzeige oder Denunziation verhaftet wurde.
Der Fotohistoriker Rolf Sachsse betonte vor einiger Zeit in einem Aufsatz
, mit dem er in programmatischer Weise auf das Schicksal jüdischer
Bildjournalisten und Fotografen im Nationalsozialismus hinwies: „Das
Skandalöse an der Arisierung' von photographischen Firmen, Archiven,
Agenturen und Ateliers ist die Auslöschung jedweder Erinnerung an ihre
früheren Besitzerinnen und Besitzer."17 Dieser Vorgang des Vergessens trat
auch im Fall Wolf Schmuel Borowitzky ein. Verschiedentlich tauchen heute
im Antiquariats- oder Internet-Handel Fotografien oder Postkarten mit
dem Signet Photo-B oro auf. Es sind die letzten Hinweise auf das wechselvolle
und am Ende von den Nationalsozialisten zerstörte Leben des vergessenen
Nordracher Fotografen.
Anmerkungen
1 Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen JSU 1/96, Bl. 061, 064 und D 1 A/1024, Bl.
445; Standesamt Oranienburg, Nr. 1198/1940, Bl. 240.
2 Amtliche Bekanntmachungen Nordrach vom 16.1.2009. Seit Januar 2009 liegt im so
genannten „Ortenauer Gedenkbuch" in der Gedenkstätte ehemalige Synagoge Kippenheim
e.V. ein Gedenkblatt für Borowitzky vor.
3 Siehe Schellinger, Uwe: Adelheid de Rothschild (1853-1935) und die Gründung der
MA. von Rothschildschen Lungenheilanstalt in Nordrach. In: Die Ottenau 82 (2002)
519-528; Kluckert, Hans-Georg: Nordrach als ehemaliger Lungenkurort. In: Die Ottenau
72 (1992) 250-279.
4 Ich danke Egbert Hoferer (Nordrach) für seine Unterstützung.
5 Siehe Liessem-Breinlinger, Renate: Die Lahrer Hungerunruhen. Die Vorgänge vom
Herbst 1923 nach Prozessakten und Zeitungsberichten. Die Rolle der Abgeordneten
Frieda Unger. In: Geroldsecker Land 17 (1977) 141-160; Schellinger, Uwe: Eine
Kaserne und ihre Menschen - Dokumentation zu einem Ort Offenburger Geschichte,
Offenburg 1998,72-77.
6 Staatsarchiv Freiburg B 728/1^1095.
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