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Gescheitert oder erfolgreich?
Die Entnazifizierung der Stadtverwaltung Offenburg
1945-1947
Wolfgang M. Gall
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Entnazifizierung der Offenburger
Bediensteten, die 1933 bis 1945 bei der Stadt in einem Beschäftigungsverhältnis
standen. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt,
begibt sich auf ein gefährliches Minenfeld. Bei keinem Thema stoßen
solch konträre Extrempositionen aufeinander, zurück bleiben oftmals
Grautöne. Bei fast jeder Schlussfolgerung bleibt ein Stück Zweifel zurück.
Gehörte eine untersuchte Person zu den Nazi-Tätern oder versteckte er
sich hinter einer loyalen Nazi-Maske oder umgekehrt. Große Verunsicherung
bringen die zahlreichen sog. Persilscheine, die von Nazi-Opfern für
Personen ausgestellt wurden, die laut Aktenlage eigentlich zum Täterkreis
gehörten.
Im Juli 1947 stellt Eugen Kogon resigniert fest:1 „Die Form, wie man
das deutsche Volk seit nunmehr zwei Jahren vom Nationalsozialismus und
Militarismus zu befreien versucht, hat zu dem reichlich chaotischen Zustand
, in dem wir uns befinden, viel beigetragen. Das Ergebnis ist vorerst,
jeder Kundige weiß es, weniger Denazifizierung als Renazifizierung. Das
böse Wort geht um: ,Seitdem uns die demokratische Sonne bescheint, werden
wir immer brauner.'" Die Praxis der ineinanderwirkenden Fehler, verschärft
durch die Kriegsfolgen, führe jenen Zustand herbei, der nicht wenige
Alliierte skeptisch oder vollends mißtrauisch werden und zahlreiche
Deutsche verbittert oder sich selbst bemitleidend, Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft verkennend, seufzen ließ: „Oh Herr, schick uns das
Fünfte Reich, das Vierte ist dem Dritten gleich". Der katholische Soziologe
Walter Dirks schrieb 1953: „Die Entnazifizierung wird von nahezu allen
Befragten abgelehnt. Die wenigen Befürwortungen fallen kaum ins Gesicht
". „Die Menschen", so Dirks, „seien zur Heuchelei erzogen worden.
Unter den ehemaligen Parteigenossen seien häufig Menschen, die zu einer
besonders schnellen Anpassung an die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse
disponiert sind."2
Bis vor wenigen Jahren dominierte auch in der historischen Forschung
das einhellig negative Bild der Entnazifizierung als einer „Bilanz des
Scheiterns". Angela Borgstedt zitiert in der Einleitung zu der 2001 erschienenen
Studie „Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951" die Aussagen:
„In der Forschung besteht große Einigkeit darüber, dass die Entnazifizierung
ein Misserfolg war."3 „Wer sich mit der Entnazifizierung beschäftigt,
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