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Wolfgang M. Call
gerlichen Ehrenrechte wurden auf drei Jahre aberkannt. Im Urteil ist zu
lesen: „Wiegert ist nach außen hin am meisten in Erscheinung getreten. Er
stelle seine Tätigkeit so dar, als habe er überall beruhigend gewirkt. In
Wirklichkeit hat er durch seine Mitwirkung mehr als andere geschadet und
hat der Jugend ein schlechtes Beispiel gegeben. Die Jugend hat sich auch
sehr stark an den Demonstrationen beteiligt. Er hätte als Lehrer mehr Urteilskraft
haben müssen und nicht bei allen Ausschreitungen dabeisein dürfen
. Mildende Umstände waren ihm zu versagen."17
Die Folgen des Synagogenprozesses zogen sich aufgrund von Revisionen
und Gnadengesuchen bis in die fünfziger Jahre hinein. 1950 wurde das
Strafmaß in einem Revisionsprozess für den ehemaligen gefürchteten
NSDAP-Kreisleiter Karl Rombach erheblich herabgesetzt.
Wiegert bat im Januar 1953 um Gnade mit dem Hinweis, dass einst führende
Nationalsozialisten längst wieder in Ämter gelangt und rehabilitiert
worden seien. Auch habe er durch seine Internierung keine Gelegenheit
wie die in Freiheit befindlichen Täter sich Alibis und Entlastungszeugen
zu beschaffen. Doch die Strafkammer am Landgericht Offenburg blieb
konsequent und urteilte 1955:
„Die Strafkammer ist nach wie vor der Auffassung, daß Wiegert an den
Vorgängen vom 10.11.1938 in einer Art und einem Ausmaß beteiligt war,
daß er unbedingt als Hauptverantwortlicher anzusprechen ist. Die gegen
ihn erkannte Zuchthausstrafe ist daher durchaus zu Recht ausgesprochen
worden."18 Nach seiner Entlassung versuchte Wiegert sich als Waschmittelverkäufer
, Anzeigenwerber und Reisevertreter über Wasser zu halten.
Seine Kontakte von früher hatte er aber beibehalten. Und so versucht er,
wie zu Beginn seiner Karriere durch Zuhilfenahme politischer und persönlicher
Freunde beruflich wieder Fuß zu fassen.
So findet sich in den Akten ein Schreiben des Direktors des Badischen
Landtags Hans Arnold vom 10.4.1951 an Ministerialrat Dr. Nunier, Direktor
des Oberschulamtes:
„Ein Bekannter von mir, Herr Oskar Wiegert, Offenburg, i. Baden,
Stadtwaldstr. 16 wurde im Jahre 1945 aus dem Schuldienst in Offenburg
entlassen. Sein Säuberungsurteil lautete: Schuldig mit 5 Jahren Bewährung
. Diese Frist läuft m. W. ab. Herr Wiegert hat nun ein Gesuch um Kürzung
der Bewährungsfrist eingereicht, damit er evtl. wieder in den Schuldienst
aufgenommen werden kann. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in
dieser Sache etwas positives tun könnten ..."19 Wiegert sei immer bemüht
gewesen, die Schule vom Einfluss der Partei freizuhalten. Es sei sicherlich
„nicht einfach, Herrn Wiegert wieder in den Schuldienst zu übernehmen,
aber vielleicht gibt es doch eine Stelle, wo weniger bekannt ist, welche
Vergangenheit Herr Wiegert hinter sich hat."20
Im Stadtarchiv Offenburg befindet sich ein nach Kriegsende von
Wiegert handschriftlich verfasster Lebenslauf21: „Eintritt in die NSDAP
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