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Neue Literatur
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währten ihnen das Aufenthaltsrecht. Auch
in der Schweiz also bietet sich das bekannte
Bild vom unterprivilegierten Leben
des alemannischen Landjudentums,
wie wir es aus dem Elsass und Baden kennen
. Das bezieht auch massive antijüdische
Krawalle mit ein, etwa den „Bändeli-
oder Zwetschgenkrieg" von 1802, in dessen
Verlauf es auch zu Zerstörungen jüdischen
Eigentums in der helvetischen Republik
kam. Und erst 12 Jahre nach dem
Großherzogtum Baden garantierte die
Verfassung von 1874 auch in der Schweiz
die völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit
. Mit der Erlangung des allgemeinen
Bürgerrechts wurde die Abwanderung aus
den Landgemeinden in die Städte eingeleitet
. Lebten um 1850 in Endingen noch
1500 Juden, so sind es heute noch zwei
Familien. Vom einstigen Leben der Juden
auf dem Lande zeugen die beiden vorliegenden
Publikationen. Anna Rapp stellt in
ihrem voluminösen und durchwegs farbigen
Katalog in über 300 Objekten das materielle
Kulturgut vor, der Band wird somit
zum wichtigen Bestandsdokument.
Peter Stein schildert anschaulich und
unterstützt durch interessantes und rares
Bildmaterial die jüdische Alltagswelt in
den Dörfern, blickt aber darüber hinaus
allgemein auf Vergangenheit und Gegenwart
jüdischen Brauchtums. Auch die badische
Nachbarschaft wird erwähnt: aus
Offenburg stammt die Abbildung einer
Jahrzeittafel von 1884 für Fanny Kahn
(am Jahrestag des Todes von Vater und
Mutter wird des Verstorbenen gedacht,
wobei die sich in jüdischer Zählung jährlich
ändernden Daten für kommende Jahrzehnte
exakt auf einer Tafel angegeben
werden). Beide Bücher bereichern die
Forschung und werden sich als unverzichtbar
erweisen für das Wissen über das
Judentum am Oberrhein.
Martin Ruch
Werner, Johannes: Würmersheim. Ein
badisches Dorf im Wandel der Zeit. Ub-
stadt-Weiher, 2008,144. S., viele Abb.
„Das Unbekannte kann nicht Heimat
sein", so der Autor, und er sagt damit, an
wen sich dieses ortsgeschichtliche Werk
primär richtet: an die Menschen, die heute
hier wohnen und sich in der Heimat heimisch
fühlen wollen. Aus diesem, aber
auch aus anderen Gründen ist diese Ortsgeschichte
beispielhaft zu nennen und
empfehlenswert. Der erfahrene und langjährige
Autor zahlreicher Beiträge auch in
der Ottenau (seit 1972!) zeigt hier, wie
man anschaulich und wissenschaftlich zugleich
die Geschichte eines Gemeinwesens
schreiben kann. Alltags- und Religionsgeschichte
, Architektur und Natur,
Mundart und Gewerbe und viele weitere
Aspekte werden in ihrer historischen Entwicklung
beschrieben. Angenehm fällt besonders
auf, dass der andernorts meist etwas
ausufernde „Vereinsteil" knapp und
sichtlich um Gleichberechtigung bemüht
geschrieben ist. Faszinierende Einblicke
in eine dörfliche Welt im Windschatten
der Weltgeschichte bietet der schöne
Band. „War es nötig, die Geschichte von
Würmersheim zu schreiben?" fragt der
Autor im Nachwort. Ja, allein schon um
zu lernen, dass die gute alte Zeit gar nicht
so gut war. Es ist zu hoffen, dass diese
Chronik beim Leser die Neugier nicht
stillt, sondern weckt. Und ein Beispiel
gibt für nachfolgende Autorengenerationen
.
Martin Ruch
Grimmelshausen, Johann Jakob Christoffel
von: Simplicianische Jahreskalender
. Europäischer Wundergeschichten
Calender 1670 bis 1672 (Nürnberg),
Schreib-Kalender 1675 (Molsheim).
Faksimiledruck der vier KalenderJahrgänge
erstmals neu herausgegeben und
kommentiert von Klaus Matthäus und
Klaus-Dieter Herbst. Erlangen und Jena
, 2009,370 S.
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