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Berichte der Fachgruppen
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Fachgruppe Wandmalerei
Nachdem wir 2007 im Hanauerland, der Region um Kehl am Rhein gegenüber von Straßburg
, die evang. Pfarrkirche in Leutesheim, erwähnt 1434 mit älterem Chorturm, die evang.
Pfarrkirche in Linx, Chor wohl Mitte 14. Jh., und die evang. Filialkirche St. Jacobus, St.
Maria Magdalena und St. Nikolaus in Hausgereut mit Fresken aus dem 2. Drittel des 15. Jh.
besucht hatten, wollten wir 2008 einen Blick nach Straßburg selbst werfen. Fresken, vermutlich
aus dem frühen 14. Jh. in Saint-Pierre-Le-Jeune protestante/Jung-Sankt-Peter evangelisch
waren unser Ziel (in Straßburg gibt es noch die Alt-Stankt-Peterskirche und die
Jung-Sankt-Peterskirche katholisch!). Einen Kontakt vermittelte uns Rene Siegrist, unser
Koordinator für grenzüberschreitende Aktivitäten. Am 28.6.2008 bekam unsere Gruppe
von ca. 15 Personen vormittags eine sehr ausführliche Führung von Pfarrer F. Westphal,
außerdem wurde uns von Organist Philipp Reichert die Silbermann-Orgel vorgeführt.
Wir trafen einen außerordentlich reichen und vielschichtigen Freskenbestand an, der jedoch
stark überlagert von den Restaurierungen und Interpretationen um die Jahrhundertwende
19./20. Jh. war. 1898, anlässlich des Abrisses der Trennwand zwischen Chor und
Schiff, die bis dahin den katholischen vom evangelisch genutzten Teil der Simultankirche
trennte, wurden die Fresken entdeckt und von Carl Schäfer von der Technischen Hochschule
Karlsruhe restauriert und überarbeitet. Eine Richtlinie zur Beurteilung der Wandmalereien
war für uns ein Artikel von Hans Zumstein, erschienen im Jahresheft 1996 der „Socie-
te pour la Conservation des Monuments Historiques", in dem die wieder entdeckten Zeichnungen
Schäfers zum Vorzustand der Fresken nach der Freilegung, aber noch vor der umfangreichen
Retusche, abgedruckt waren. Leider konnten wir im Rahmen der Führung nicht
mit unserem üblichen Instrumentarium, Tageslichtlampen, Streiflicht und anderen optischen
Hilfsmitteln zur makroskopischen Untersuchung tätig werden.
Besonders beschäftigte uns der sogenannte „Zug der Nationen zum Kreuz", der sich auf
der Zwischenwand zur Johanniskapelle befindet. Diese Wand wurde 1827 für einen Durchgang
durchbrochen und 1898 im Zuge der Schäfer'schen Restaurierungen wiederhergestellt
. Ein Blick auf die Zeichnung Schäfers lässt erkennen, dass tatsächlich aufgrund einer
Bordüre aus Weinblattranken die Fragmente rechts und links des wieder verschlossenen
Durchgangs zusammengehören und auch die Pferde des Reiterzugs lassen sich links und
rechts identifizieren, die Interpretation als Nationengemeinschaft ist allerdings hypothetisch
. Sie lag dem national gesinnten 19. Jahrhundert eben näher als Reiterheilige und ultramontane
Päpste, die vermutlich ursprünglich dargestellt waren. Die Darstellung Polens
durch den deutschen Restaurator zu einer Zeit, da Polen von der Landkarte verschwunden
war, inspirierte 1997 die Regierung des entsprechenden Landes zur Finanzierung einer Restaurierung
des Reiterzugs. Der sehr interessante Restaurierungsbericht mit Angaben zu Fes-
tigungs- und Reinigungsmethoden von Ewa Swiecka lag uns in französischer Sprache vor.
Am nachmittäglichen Besuch in der Ausstellung „Straßburg 1400" nahmen nicht mehr
alle Mitglieder teil. Hier bekamen wir Einblicke in die hauseigenen Sammlungen zur sogenannten
„Internationalen Gotik" im 14. und 15. Jh., angereichert durch viele Leihgaben anderer
Museen, innerhalb eines Gebäudes, das selbst schon einer Besichtigung wert gewesen
wäre.
Bernhard Wink, Regine Dendler
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