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Edelkastanie und Rebkultur - eine Spurensuche in der Ortenau 93
Setzen junger Bäume und zur Erhaltung des Geschirrhauses im
Weinberg wurde ein finanzieller Zuschuss zugesagt.36 Dieses Hofgut
war offensichtlich noch mehr als üblich auf den Weinbau
ausgerichtet. Im Rückschluss muss also vermutet werden, dass die
übrigen Winzer - zumindest in geringem Umfang - auch noch
selbst Getreide anbauten.
In den Quellen für die Gegend um Oberkirch ist auffällig, dass
zu den Weingütern fast immer Baumgärten, Wald und so genannte
„Bösche" gehörten. Das Wort Bösche hängt mit „Busch /
Büsche" zusammen, und aufgrund der analysierten Quellen darf
davon ausgegangen werden, dass es sich hier um niederwaldartige
Gebiete handelte, die vor allem mit Büschen bestanden
waren.
Das dürften einerseits Stockausschläge von den oben schon
genannten Kastanien, aber auch von Eichen gewesen sein, die
beide relativ witterungsbeständiges Holz liefern und als Rebstecken
in großer Zahl benötigt wurden. Die Zweige von Weiden
oder Haselnusssträuchern wurden in vielen Bereichen zum Binden
benutzt, zum Beispiel für das Bündeln von Garben oder bei
der Flößerei. Auch im Weinbau war der Bedarf sehr groß. In den
hier genannten Quellen werden jedoch nur die Kastanien- und
Nussbäume ausdrücklich genannt, weil nur von diesen Früchte
als Naturalabgaben gefordert werden konnten. Möglicherweise
wuchsen auf diesen Landstücken auch die Pionierbäume Birken.
So heißt es zum Weingut des Hans Veringer aus Winterbach
im Jahr 1570, dass Bösche dazugehörten, zum Teil mit Kastanienbäumen
dazwischen.37 Das spricht für eine Niederwaldbewirtschaftung
, die in enger Beziehung zur Bewirtschaftung der Rebflächen
stand und als Produktionsort für die Rebstecken eine
zentrale Ressource für den Weinbau darstellte. Die Indizien sprechen
also sämtlich für diesen Zusammenhang, doch einen
schriftlichen Beleg, der ausdrücklich die Verwendung von Kasta-
nienholzstecken im Rebbau anspricht, müssen wir schuldig bleiben
.
3.3 Niederwaldwirtschaft
Die Niederwaldnutzung bot die Möglichkeit, auf einfache Weise
Pfahlholz zu produzieren. Niederwaldwirtschaft ist eine Form
menschlicher Nutzung von Wald, die auf der vegetativen Regenerationsfähigkeit
von Waldbäumen und Waldsträuchern basiert
. In Forstkreisen wird sie als „primitivste Form planmäßiger
Waldnutzung" bezeichnet.38 Sie gilt als älteste Form der Waldnutzung
überhaupt. Sie basiert auf der vegetativen Regenerationskraft
, der Ausschlagsfähigkeit, i. d. R. von Laubhölzern, nachdem
diese abgeschlagen oder abgesägt, forstlich „auf den Stock ge-
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