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Heiligenleben und Alltag. Offenburger Stadtgeschichte im Spiegel eines spätmittelalterlichen Beginenlebens 169
Johannisfest (27. Dezember) den Brüdern spendete. Sie mästete
dazu eigens vom Martinstag bis Weihnachten Hähnchen, die sie
als Pachtzins von ihren Gütern bezog. Das müssen schon einige
Kapaunen gewesen sein, wir erfahren nämlich bei der Gelegenheit
die Konventsgröße der Franziskaner: 20 bis 24 Brüder. Beiläufig
erhalten wir so einige handfeste Informationen über das
Leben im Offenburger Kloster, das uns bisher nur über Verwaltungsurkunden
zugänglich war.
Auch die erste Nachricht vom Bau der gotischen Klosterkirche,
deren Mauern bis heute noch hochragen, können wir der Vita
entnehmen. Denn als Gertrud den Guardian einmal bat, ihr die
Beichte abzunehmen, entschuldigte sich dieser, er sei derzeit sehr
in Anspruch genommen durch einen großen buw. Sie selbst setzte
sich persönlich für den Innenausbau der Klosterkirche ein, indem
sie Spenden sammelte, um den Lettner, der Chor und Langhaus
trennte, mit Fresken zu schmücken: Also ließ sie die VII zit molen
an dem lettener zuo den brüderen, do manig mensch andacht abnimet
("(gewinnt), daz lihte in vil joren oder niemer geschehen wer.44 Die
sieben Tagzeiten der Passion Christi sollten den Betrachter in
einen spirituellen Nachvollzug einstimmen, dz der mensch niemer
vergesse des demütigen eilenden versmechten lebens unsers herren Jesus
Christus45. Mit diesem Anliegen stellte sich Gertrud in die Tradition
der großen Mystikerinnen des 13. Jahrhunderts, wie etwa
Mechthilds von Hackeborn. Auch in ihrer heimatlichen Klosterkirche
suchte sie den Gedanken der Passionsmystik für alle sichtbar
umzusetzen.
Neben dem Minoritenorden war in Offenburg noch ein zweiter
Bettelorden tätig: die Predigerbrüder oder auch Dominikaner
genannt, nach ihrem Gründer Dominikus. Allerdings hören wir
nur von einem Dominikanerinnenkloster, und das nur aus zwei
päpstlichen Schreiben von 1246, danach nie mehr.46 Nun berichtet
die Gertrud-Vita: eines morgens frühe wz diese frouwe (Gertrud)
gangen zuo den predigern, mit den hette sü ernstlich zu reden.47 Sie
besuchte dort auch die Messe. Der Herausgeber Derkits bezieht
diesen Bericht auf das erwähnte Frauenkloster des Predigerordens
und wertet ihn als Beweis für dessen Existenz auch nach 1246.48
Abgesehen davon, dass die Bezeichnung „ Prediger" für ein
Frauenkloster, in dem zudem die Messfeier abgehalten wird, recht
ungewöhnlich wäre, erscheint mir eine andere Möglichkeit wesentlich
plausibler. Im jüngst veröffentlichten Stadtkataster Offenburg
ist ein sogenanntes Terminierhaus der Straßburger Dominikaner
erwähnt.49 Eine Urkunde von 1416 beschreibt dessen
Lage mitten in der Stadt folgendermaßen: stoßet binden an der
prediger herberge und vornan an die kirchgasse. Es ist also nicht die
Rede von einem Kloster, sondern von einer Herberge, in der die
herumziehenden Bettelmönche Unterkunft fanden. Noch 1460
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