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234 Martin Ruch
Not F Baraque 15,
Centre
cTHerbergement
Rivesaltes.
Rivesaltes
20.3.1941
Lieber Herr u. I. Frau Neu!
Ihren I. Brief v. 12.2. habe s.Zt. erhalten, auch habe Ihre Zeilen v.
Siegfried Maier11 gelesen, freue mich sehr, dass Sie noch Interesse an
uns und uns nicht vergessen haben. Hoffentlich geht es Ihnen gesundheitlich
ordentlich, was von I. Susi und mir G.s.D. so weit auch
sagen kann. Sind, wie Sie schreiben, Ihre Angehörigen abgereist und
Sie mit Ihrer I. Frau dorten noch allein? Sie seien an der Bahn gewesen
beim Durchfahren des zweiten Transportes, wir fuhren mit dem
ersten am 10.3. Mein Nachbar Kassewitz12 und Frau sind auch bei
Pau, vielleicht haben Sie solche schon getroffen. Wenn ich Sie auch
mit Arbeit gern verschonen möchte, trete doch mit einer Bitte an Sie
heran, die Sie vielleicht eher erfüllen können, da Sie mit den betr.
Stellen nähere Fühlung haben, und persönlich jedenfalls eher etwas
ausrichten, als ich auf schriftlichem Weg. Ich glaube, I. Susi und ich
sind mit die (Zensurbalken eine Zeile. M.R.) in Frankreich ist nicht in der
Lage und meine Brüderu in USA ebenfalls in kläglichen Verhältnissen,
ein Bruder hat mir versprochen, die Bürgschaft für uns zu erneuern
u. dann ist es mir in Gottes Namen nicht gegeben, derartige Bettelbriefe
zu fabrizieren. Lieber Herr Neu, versuchen Sie beim Comitee
oder beim Rabbiner Ihr Glück, dass wir vielleicht Lebensmittelpakete
bekommen, denn die I. Susi ist so im Wachsen, dass ihr gern zusetzen
möchte, was Sie begreifen werden, ich unterlasse, finanziell
unsere Lage zu schildern. Sie wissen ja selbst Bescheid. Sollte dies
gar nicht möglich sein, wäre auch für Geldsendung dankbar. Lieber
Herr Neu, die Verhältnisse haben sich geändert, ich würde Sie nicht
darum angehen, wenn es nicht nötig wäre, u. hoffe, dass Sie den
Weg finden, dass uns für die Not geholfen wird. Der I. Gtt. wird es
Ihnen u. Ihrer I. Familie lohnen. Meine Schwestern und Schwäger
sind auch hier. Sonst wüsste für heute nichts neues. Entschuldigen
Sie bitte vielmals mein Anliegen, haben Sie für Ihre Mühe im Voraus
innigen Dank, u. seien Sie von uns allen mit Ihrer I. Frau herzlich
gegrüßt von Ihrem Ludwig Greilsheimer.
Ludwig Greilsheimer
Not B Baraque 43
Rivesaltes
24.4.41
Liebe Freunde!
So sehr Sie der Inhalt meines Briefes bedrückte, umso größer war
die Empfindung bei uns beim Lesen Ihrer I. Zeilen v.8., die wir mit
Tränenfreuden in den Augen in uns aufnahmen, denn Ihre Liebe
und Güte zu uns heute überwiegen alles, was wir nur in kleinem
Masse früher nichts als unsere selbstverständliche Pflicht erachtend
jedem unserer Mitmenschen tun konnten, und bin ich fest davon
überzeugt, dass, falls es in Ihrer Macht läge, Sie beide Allen helfen
würden. Ihre Sorgen um uns gehen aber zu weit, wenn Sie I. Frau
Neu Ihre eigenen Leute noch für uns heranziehen u. bin ich für die
Zuwendung der mir gestern von der Post avisierten Fr. 200 besonders
herzlich dankbar. Dies verdanken wir nur unserer I. guten u. unvergessenen
sei. Mutter! Soviel ich noch weiß, ist der Herr J. Picard,
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