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250 Heinz Nienhaus
ter, wenn er aus seiner Berufsarbeit heimkehrte, und auch den
Schulkindern wurden entsprechende Arbeiten zugewiesen. Das
Leben in diesen Familien war sicher weniger romantisch als entbehrungsreich
.
In diesem Zusammenhang interessant ist die Aussage einer
von einem großen Hof weichende, im Jahre 1920 geborene
Schwarzwälder Bauerntochter, die wegen der vielen Arbeit nicht
in einen großen Hof einheiraten wollte und deshalb einen kleineren
Landwirtschaftsbetrieb vorzog. Im Alter äußerte sie sich zu
ihrer diesbezüglichen Entscheidung wie folgt: „E Burscho, bloß kei
so großer hon i welle. Aber die Fraue ufde kleine Landwirtschaft mien
meh schaffe, wie seile ufde große.//8
Einen beispielhaften, unverfälschten Eindruck von den vielfältigen
Arbeiten, die die Frauen in den kleinbäuerlichen Rip-
poldsauer Familien noch bis vor rund 60 bis 90 Jahren leisteten,
vermitteln die folgenden Bilder, die als Fotografien wie Archivalien
unbestechliche und damit regionalgeschichtlich wertvolle
Zeitdokumente sind.
Mit Mist oder Kartoffeln auf dem Kopf ging's bergauf
Die 1926 geborene, in einer kleinbäuerlichen Rippoldsauer Großfamilie
aufgewachsene Else Borchert (geborene Dieterle; Abbildung
3, zweite v. 1.) kann sich noch gut an die vielen Stunden
und Tage, die sie mit Feld- und Waldarbeiten verbrachte und dem
was ihre Eltern und Großeltern hierzu berichteten, erinnern. Ihr
Vater war Briefträger, also „außer Haus" tätig, d.h. sie wurde -
wie ihre sechs Geschwister - schon früh mit allen landwirtschaftlichen
Arbeiten konfrontiert. Dazu gehörte nicht nur die Arbeit
im Stall - hier waren durchschnittlich 3 Kühe und 3 bis 4
Schweine zu versorgen -, sondern auch auf den Äckern, Wiesen
und im Wald. Zu den unangenehmsten Arbeiten gehörte das
Bergauftragen von Mist in Körben - regional „Schieden" genannt
- auf den Köpfen der jungen Frauen (Abb. 3). Mit dem für die
Kleinbauern kostenlosen Stallmist wurden die Äcker an den oft
recht steilen Berghängen gedüngt. Um den Druck auf den Kopf
ein wenig zu dämpfen und um die Kopflast besser ausbalancieren
zu können, wurde ein rundes, mit Getreidespelzen gefülltes Kissen
- im regionalen Sprachgebrauch als „Buscht" bezeichnet -
zwischen Korb und Kopf gelegt. Else Borchert zu diesem mühevollen
Unterfangen: „Wir waren schon froh, wenn der Mist trocken,
d.h. nicht vom Regen durchnässt, war/ In aller Regel beteiligten
sich an dieser Arbeit auch die Frauen der ortsansässigen Verwandten
, ebenso die Nachbarinnen.9 Generell wurde seinerzeit das
enge Miteinander, die gute Nachbarschaft wesentlich mehr gepflegt
, als das heute der Fall ist - man war eben mehr aufeinander
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