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272 Karl Kopp
die Rolle im öffentlichen Leben folgten den gesellschaftlichen
Vorgaben. Ganz im Gegensatz zur heutigen Mobilität und Un-
verbindlichkeit, der häufigen Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz
, der Wahl des Familiennamens und den wechselnden
Trends bei den Vornamen.
Die Zuwanderer - oft im Zusammenhang mit der Einheirat
nach Lahr - wollen und müssen zu dieser Welt gehören: Sie
erwerben das Bürgerrecht und übernehmen damit Rechte und
Pflichten in der Gemeinschaft. In der Datenbank ist zwar fast die
Hälfte der Männer ohne Vermerk über ihren bürgerlichen Status.
Aber der kann sowohl beim damaligen Eintrag vergessen, wie
auch bei unserer Auswertung der Ehebücher übersehen worden
sein. Die herrschaftlichen und kirchlichen Bediensteten besitzen
in der Regel nicht das Bürgerrecht in der Stadt, und die jungen
Ehemänner sind oft bis zur Heirat noch keine Bürger, ihre Väter
aber durchaus. Überdies fehlt bei der Mehrzahl der Bürgermeister
oder Ratsmitglieder die Nennung des bürgerlichen Status, weil er
in ihrer Position selbstverständlich war.
Von den Tagelöhnern sind deutlich weniger als die Hälfte als
Bürger eingetragen. Nur bei 32 aller Erfassten ist „Hintersaß" vermerkt
, bei 38 „Inwohner" (einer anderen Gemeinde), und bei 12
„Untertan" (einer anderen Herrschaft).
Weit über die Hälfte der Lahrer muss also tatsächlich das Bürgerrecht
besessen haben. Und die heiratenden Gesellen müssen
wir für unser Vorhaben bei den bürgerlichen Berufen mitzählen
und sie nicht, wie es teilweise in der Literatur geschieht, einer
„Unterschicht" zuordnen.
Um korrekte Schlüsse aus den vorliegenden Namenlisten zu
ziehen, müssen wir auch die Regeln der damaligen Taufnamen-
gebung kennen und berücksichtigen: Der für die Namenstradition
einer Familie maßgebliche Rufname steht im mehrteiligen
Taufnamen an zweiter Stelle. Ihm ist ein „Beivorname" (fast nur
Anna, Johann oder Hanns) vorangestellt, der wird von den
Schreibern der Ehe- und Sterbebücher bisweilen erwähnt, oft
auch weggelassen.20
Vorindustrielle Berufswelt
Ein Fixpunkt der heimatgeschichtlichen Überlieferung in Lahr ist
der „Große Stadtbrand" von 1677. In ihm sei die Stadt nach den
Leiden der vorangegangenen Kriege fast völlig zerstört worden.
Die Masse der Einträge in unserer Datenbank setzt kurz danach
ein, mit den ab 1680 geführten Kirchenbüchern. Für Lahr beginnt
damit eine neue Ära. Sie ist geprägt von wirtschaftlichem
Aufschwung und Bevölkerungswachstum,21 und dauert bis zum
Übergang an den neuen badischen Staat. Es ist daher sinnvoll, die
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