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308 Heinz G. Huber

Geistermasken, die vor Wagen getragen werden, aus denen „Böhse
Onkelz"-Songs brettern." 4

Wo immer freilich „Tradition" und „Brauchtum" zur Begründung
für Aktivitäten der Gegenwart funktionalisiert werden, besteht
die Gefahr, dass das vielschichtige Phänomen „Fastnacht"
verkürzt, verfälscht, folklorisiert und damit letztlich enthistorisiert
wird. Dieser Gefahr versuchte die von Hans Moser und Karl
Sigismund begründete „historische Volkskunde" dadurch zu begegnen
, dass sie von archivalischen Quellen ausging.5 Fastnacht
ist immer eingebunden in „zeitliche, soziale und räumliche Historizität
". Ihre Erscheinungsformen und Prägungen sind bestimmt
durch das historische Geschehen und soziale Realitäten,
die Ständegesellschaft der frühen Neuzeit oder die Bürgergesellschaft
des 19. Jahrhunderts. Die Fastnachtsgeschichte der NS-Zeit
zeigt auch die problematischen Seiten der Fastnacht, sei es die
nationalsozialistische Volkstumsideologie, die sich die Fastnacht
aneignete, aber auch den Reflex von Antisemitismus und Rassenwahn
.6 Dazu kommt die Verengung und Verfälschung der Fastnachtstradition
durch eine „Brauchtumshygiene", die einerseits
unter Kategorien bürgerlicher Ehrbarkeit die anarchischen Elemente
der Fasnacht ausblenden und andererseits politische und
zeitgeschichtliche Dimensionen ignorieren will.

Frühe Fastnachtstraditionen im Renchtal

In der Kulturgeschichte der Fastnacht lassen sich mehrere Schichten
unterscheiden. Das älteste Element stellt die dämonologisch-
magische Seite der Fastnacht dar. Die Dämonen des Winters,
verkörpert durch schwarz gekleidete Gestalten und Furcht erregende
Maskeraden, wurden mit Rasseln, Peitschen, Klappern und
Hörnern vertrieben.7 Damit verbunden waren Fruchtbarkeitsbräuche
wie das Schlagen mit der Lebensrute, Tänze und Hochzeiten
, die in dieser Zeit gefeiert wurden. Die Fastnachtstage
waren ein „Fest des Fleisches" und bildeten immer schon den
Höhepunkt der Empfängnisstatistik.8

Einflüsse auf die Fastnacht hatten hellenistisch-orientalische
Mysterienkulte, die sich in der Römischen Antike mit Bacchanalien
, Saturnalien, Luperealien und römischen Reinigungsfesten vermischten
. Sie thematisieren Werden und Vergehen, Licht und
Dunkelheit und die Überwindung des Todes durch das Leben.
Schon bei den Saturnalien wurde „verkehrte Welt" gespielt. Herren
und Knechte tauschten nicht nur die Kleidung, sondern die
Rollen. Bei den Umzügen während der Bacchanalien zogen fratzenhafte
Masken mit, die das Böse vertreiben sollten. Der mitgeführte
Schiffskarren erinnert an das Motiv des Narrenschiffs, das
zu Beginn der Neuzeit als Symbol der närrischen Welt galt.9


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