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408 Anna-Maria Münchenbach
Oma und ich
der heutigen Zeit über vieles gar keine Gedanken zu machen
brauchte. Manchmal hielt ich dieses Verhalten für etwas daneben
und doch zeigte es sich, dass Oma Recht hatte. Neben meinen
Eltern ging auch ich meiner Oma zur Hand
und half ihr. Dabei lernte ich einiges aus
dem Haushalt, aus dem Garten oder beim
Einkauf. Oma verstand von allem etwas.
Auch mein Papa und meine Mama verstehen
manches. Aber Omas Wissen war doch
irgendwie anders. Sie wusste ganz andere
Zusammenhänge und Wirkungen der
Dinge zueinander, als wir dies heute kennen
. So kannte sie im Garten die Wirkungen
des Jahresablaufs, zum Beispiel wann
genau man Zwiebeln pflanzen sollte. Sie
kannte aber auch die Wirkungen der Pflanzen
zueinander. Oma wusste, welche Pflanzen
man zusammen pflanzen konnte oder musste. Sie wusste
aber auch, bei welchen dies schädlich ist. Sie kannte auch die
Auswirkungen der Pflanzen auf die Tiere und Menschen. Oma
kannte auch andere Wirkungen. So erzählte sie, dass früher
immer dort Häuser gebaut wurden, wo sich die Kühe niederlegten
. Dagegen sollte dort kein Haus gebaut werden wo sich Katzen
gerne aufhielten. Dies hat meiner Meinung nach nichts mit Aberglauben
zu tun. Aber dafür gibt es eben keine „Beweise" und unsere
heutige Zeit hat für solche Beobachtungen und Rituale kein
Gespür mehr. Irgendwie ist es schade um diesen Verlust. Oma
hatte eine Zeitlang noch Katzen und Hühner. Manchmal erzählte
sie auch von der „Liesel", einer Kuh. Mit der Liesel hatte meine
Oma nach der Ermordung ihres Vaters lange den Ackerboden
gepflügt. Die Setzlinge für den Garten zog die Oma über die Winterszeit
selber heran. Meine Oma lebte überwiegend von den Erzeugnissen
aus ihrem Garten. Sie konnte auch gut kochen und
lernte mir vieles. So kochte sie zum Beispiel bei Durchfall eine
gebrannte Mehlsuppe. Und das half sogar innerhalb kurzer Zeit
den Durchfall zu stoppen. Manchmal war ich auch „bockig" und
wollte nicht immer so, wie sie es gerne gehabt hätte. Oma konnte
dann sehr bestimmend sein. Aber wir waren nicht lange böse
miteinander. Abends sahen wir fern oder redeten miteinander.
Oma achtete immer sehr auf ihre Gesundheit und betete viel.
Sie zündete dabei eine Kerze an. Das kannte ich nicht. Meine Eltern
hatten wohl bei der großen Kinderzahl gegenüber einer
brennenden Kerze ziemlich viele Bedenken. Das mit der Kerze
und den Gebetsritualen war schon eine andere Welt. Es war befremdend
und doch strahlte es Geborgenheit aus. Es war deshalb
befremdend, weil in dieser kurzen Zeit kein Strom wirkte, kein
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