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Manfred Merker
einer arkadischen Landschaft: Liebesklagen, zärtliche Freundschaften
, Sängerwettbewerbe und Mythologisches. Vergil erweist
sich in dem kleinen Opus von gut 800 Versen als würdiger
lateinischer Nachfolger der griechisch-hellenistischen Vorgänger
des vierten Jahrhunderts vor Christus: Theokrit von Syrakus
und Kallimachos von Alexandria hatten in ihrer Kunsttheorie
gegen das große Epos das kleine, fein ausgefeilte Kunstwerk
propagiert und in ihrer Dichtung realisiert. Wie auch in allen
späteren Werken verwendet Vergil nur den reinen Hexameter,
dessen Feinheiten er wie kein anderer lateinischer Dichter zu
höchster Vollendung bringt.
Nach diesen alexandrinisch hellenistischen Anfängen wendet
sich Vergil in seinem zweiten Werk in den Jahren 37-30, es
herrscht immer noch der Bürgerkrieg, den GEORGICA zu. Gewidmet
ist es seinem zweiten wichtigsten Gönner Mäzenas,
dem großen Kulturförderer der Augustuszeit. Die Georgica
stehen in der langen Tradition griechischer und lateinischer
Lahrgedichte. Der griechische Dichter Hesiod (etwa 700 v.
Chr.), fast ein Zeitgenosse Homers, hatte in seinem Epos „Tage
und Werke" das harte Leben der griechischen Bauern besungen,
Vergils von ihm hoch verehrter lateinischer Vorgänger Lukrez
dichtet in seinem Hauptwerk „Über die Natur der Welt" über
die epikureische Naturlehre. Vergil besingt in den vier Büchern
der Georgica mit ihren über 2000 Hexametern den Segen der
Erde und deren Naturgesetze, die der Landwirt beachten muss,
zum Beispiel beim Ackerbau nach dem Bauernkalender (Buch I),
ferner den Weinbau und die Baumkultur (Buch II), die Viehzucht
und Rinderseuchen (Buch III) und schließlich die Pflege
der Bienen (Buch IV) als letztes Erbe des Goldenen Zeitalters.
Die Georgica enthalten philosophische Betrachtungen, märchenhafte
Episoden, wie die Bienengeburt, mythologische Partien
, wie Orpheus und Eurydike, und schöne Stellen lyrischer
Poesie.
Seit dem Jahre 29 arbeitete Vergil, sicher auch im Sinne,
wenn nicht im Auftrag des Augustus, an seinem Hauptwerk, der
ÄNEIS, das mit seinem Gründungsmythos Roms eine Art
Nationalepos der Römer werden sollte. Hierzu diente als Vorbild
der erste europäische Dichter Homer (etwa 800 v. Chr.) mit
seiner Ilias, dem Kampf um Troja, und der Odyssee, den Irrfahrten
des „viel verschlagenen" Griechenhelden: Auch Vergil
besingt die Irrfahrten eines Helden, des Trojaners Äneas, auch
hier gibt es schwere Kämpfe zweier verfeindeter Völker. Aus den
antiken Vergilbiographien (Viten) ist hierzu die Arbeitsweise
des Dichters überliefert. Danach entwarf Vergil zunächst eine
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