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Joseph Victor von Scheffel: Zwischen Sehnsucht und Desillusionismus
Liedersammlung Gaudeamus wuchsen nach seinem Ableben
stetig an. Ihm zu Ehren wurden Straßen und Plätze benannt,
Scheffel-Denkmäler eingeweiht, Scheffel-Stuben eingerichtet
und seine Lieder in den Wirtshäusern angestimmt:
Alt Heidelberg, du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine
Kein' andre kommt dir gleich?
Zwischen „Brotberuf
Diese Verse stehen beispielhaft für das Weiterwirken der Dich- und Künstlertum.
tung Scheffels, ebenso wie die Zeilen „Behüef dich Gott! es Der junge Scheffel,
wär' zu schön gewesen, / Behüet' dich Gott, es hat nicht sollen
sein!"4 aus dem Trompeter von Säckingen, die noch in den fünfziger
Jahren zu einem erfolgreichen Schlager avancierten. Dennoch
, mag der Name Joseph Victor von Scheffel am Oberrhein
weiterhin Erinnerungen wecken, zum Kanon der deutschsprachigen
Literatur gehört er heute nicht mehr. Kaum noch stößt
die Wertung Theodor Fontanes: ,„Ekkehard' zählt zu den besten
Büchern, die ich gelesen"5, auf Zustimmung. Die Gründe
für die Distanz zum CEuvre Scheffels liegen nicht allein in der
historischen Patina, die sich seiner literarischen Werke bemächtigt
hat, sie ist letztlich - paradox auf den ersten Blick -
begründet in den Bedingungen, die den Erfolg seiner Werke in
den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens erst möglich gemacht
haben. Was die historischen Voraussetzungen dafür
gewesen sind, und wie diese sich in seinem literarischen Werk
spiegeln, darum soll es im Folgenden gehen - und um die Teile
von Scheffels Werk, die noch heute von Interesse sind oder es
werden könnten.
Joseph Victor von Scheffel wurde am 16. Februar 1826 in
Karlsruhe geboren. Sein Vater, der Major und Oberbaurat
Philipp Jakob Scheffel, stammte aus Gengenbach. Er war der
Sohn des letzten Stiftsschaffners beim dortigen Benediktinerstift
. Seine militärische Laufbahn wurde unterbrochen, als er in
die deutsch-französische Rheinregulierungskommission berufen
wurde, wo er an der Seite Johann Gottfried Tullas an der
Durchführung der Korrektion des Stromlaufes maßgeblich mitwirkte
. Scheffels Mutter, geborene Josephine Krederer, war
Tochter des Bürgermeisters von Oberndorf. Nach der Heirat zog
das Ehepaar 1824 in die badische Residenzstadt, zwei Jahre vor
der Geburt des ältesten Sohnes. Joseph Victor von Scheffel, der
eine gute Ausbildung genoss und das Lyzeum als „Primus om-
nium", also als „Jahrgangsbester", verließ, wollte ursprünglich
Künstler werden. Der Vater drängte ihn jedoch zum Studium
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