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164 Günther Mohr
steller und Philosoph geworden, war sich aber anders als die
meisten Deutschen seiner Zeit bewusst, dass diese Auseinandersetzung
erforderlich war. Und er ist in der Lage, Alma von
Löwenstein fast am Ende seiner Erzählung zum Preis von Gegenwart
und Zukunft das Wort zu geben.
Ewald Sparre, in Distanz zur großen Politik, begründet in
der mittelbadischen Landschaft einen „Kulturbund" und ein
kulturelles Zentrum, das hinauswirken soll in die Welt. Mit
der Hinwendung zur Kultur, die auch eine Abwendung von
der Politik ist, lässt ihn Flake zeittypische Denkfiguren aufgreifen
. In ihrem Scheitern werden sie fragwürdig. Dass manche
seiner Leser Flakes Roman auf ein Loblied auf die mittelbadi-
sche Landschaft reduzierten, lag wohl daran, dass auch sie sich
mit den zeitgenössischen Problemen nicht auseinandersetzen
wollten. Aus der Sicht Sparres, Alma von Löwensteins und
wohl auch unserer dürften auch sie sich fragwürdig verhalten
haben.
Mit ihrer Rede überspringt Alma von Löwenstein diese Probleme
und schlägt einen kühnen Bogen von der Erklärung der
Menschenrechte hin zur Emanzipation der Frauen. Im Verlauf
des Romans wird aus der adligen Tochter, die der Verführung
durch den französischen „Okkupanten" erliegt, eine selbständige
, in ihrem Beruf erfolgreiche Frau. So ist sie eine Protagonistin
des Wertewandels, der sich in der Bundesrepublik erst zehn
Jahre nach dem Erscheinen von „Schloß Ortenau" durchzusetzen
begann. Sparres Sympathie hat sie begleitet. Es wäre erstaunlich
gewesen, wären ihr oder Otto Flake in den 1950er
Jahren viele Leser und Leserinnen gefolgt.
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