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O Q Q Irmgard Schwanke
Regal mit schönen Büchern zeigte, außerdem eine der Schauspielerinnen
, „ein schlankes, blondes Fräulein. [...] Dieses
Wesen übte eine mächtige Wirkung auf mich aus/' Er habe sich
an ihr wie an dem Bücherregal nicht satt sehen können. August
Ganther schrieb weiter: „Merkwürdig, daß die zwei gewaltigen
Eindrücke - Buch und Dame - in meinen späteren Jahren mich
am mächtigsten beleben sollten/'12
An Ostern 1867 kam August Ganther im Alter von fünf Jahren
in die Volksschule am Kirchplatz, die heutige Altstadtschule
. Der erste Schultag blieb ihm vor allem in Erinnerung,
weil er sich „einem befreundeten Mädchen aus der Nachbarschaft
folgend" mitten unter die getrennt von den Jungen platzierten
Schülerinnen setzte und aus diesem Grund für große
Heiterkeit sorgte.13 Zur ersten Lektüre Augusts zählte ein Band
mit Gedichten Johann Peter Hebels, die der Vater in seiner Bücherschublade
aufbewahrte: „Kaum, dass ich notdürftig lesen
konnte, noch nicht 6 Jahre alt, machte ich mich hinter den
Mann im Mond, hinter das Hexlein und hinter das Liedlein
vom Kirschbaum."14 Als erstes eigenes Buch erwarb August Ganther
im Alter von 14 Jahren Hebels „Schatzkästlein des rheinischen
Hausfreundes". „Ich [...] weiß noch genau, dass ich den
Wunsch in mir trug, wie Hebel will ich auch einer werden.
Wenn es abends ist, will ich meinen Nachbarn vorlesen und
ihnen mit meinen Geschichten Freude bereiten."15
Doch der Junge interessierte sich nicht nur für Literatur. Mit
einem Nachbarskind spielte er mit Bleisoldaten.16 Gerne hielten
sich die Buben am Lohhäuslein hinter dem Stadtgraben auf, wo
der „Hundlisepp" für sie Kasperletheater spielte. Das Lohhäuslein
gehörte zu einer der benachbarten Gerbereien. Hier wurde
die ausgelaugte Lohe - ein Nebenprodukt der Gerberei - gestampft
, in Formen gepresst und in Holzgestellen getrocknet,
um dann verfeuert zu werden. August Ganther beschrieb das
Lohhäuslein folgendermaßen: „Die Vorderwand des Häusleins
war mit einem Lattengitter versehen. Auf diesem saßen die runden
Lohkäse, [...]. Solange die Lohkäse auf den Latten saßen,
wagten wir uns nicht an das Häuslein heran. Sobald sie aber zur
Feuerung weggeholt wurden, erschienen uns die Latten als
Treppen. Husch, husch, ging es im Eilflug an ihnen empor."
Lohkäse war also kein Nahrungsmittel, sondern ein Heizmaterial
.
Ständig waren die Jungen in Oberkirch und der Umgebung
unterwegs. Sie beobachteten bei Metzger Bernhard Huber im
Thomasloh das Töten der Tiere, das sie gleichermaßen faszinierte
wie abstieß.17 Als der sogenannte Eselsteg, der Vorgänger
der heutigen Wendelinusbrücke, errichtet wurde, „um einen
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