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272 Klaus G. Kaufmann
Eines meiner Forschungsthemen ist das Scharfrichterwesen.
Auch die Scharfrichter und Abdecker hatten, wie jede andere
Berufsgruppe, eine Fachsprache entwickelt, die es Außenstehenden
schwer, wenn nicht sogar unmöglich machte, sie zu
verstehen. Zu diesem Fachjargon kam ihre Umgangssprache.
Diese wiederum war verwandt mit dem „Jenischen", das sich
aus dem „Rotwelschen" entwickelte. Auch diese Sprache war
mehr dazu bestimmt, dem Außenstehenden etwas zu verschleiern
als zu verdeutlichen und zu offenbaren.
Was sind „Jenische"?
Stellt sich als eine der ersten Fragen: Wer sind die Menschen,
die „Jenisch" sprechen? Gibt es doch auch den Ausdruck
„jänisch", der in meinem Sprach Verständnis mit „jähzornig"
zu übersetzen wäre. Soweit ich weiß, hat der „Jänische" mit
dem „Jenischen" allerdings nur die ähnliche Schreibweise
gemein. Etwa bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts
gab es sogenannte „Hausierer", also Menschen, die von
Haus zu Haus zogen, um ihre Ware feilzubieten. Da sie
einem Wandergewerbe nachgingen, benötigten sie einen
Wandergewerbeschein. Wohlgemerkt, dies waren keine Zigeuner
, heute Sinti oder Roma genannt, obwohl sie gelegentlich
auch als weiße Zigeuner bezeichnet wurden. Diese
Wanderhausierer sprachen „Jenisch". Auch im Schausteller-,
Ganoven- und Rotlichtmilieu findet sich noch heute die jenische
Sprache.
Bei den „Hausierern" handelt es sich um eine Gruppe von
Menschen, die meist in der wärmeren Jahreszeit unterwegs
waren, von Ort zu Ort zogen, um die in der kälteren Jahreszeit,
also im Winter, hergestellten oder eingehandelten „Kramwaren
" an den Mann oder die Frau zu bringen. Also Besen, Bürsten
, Weidenkörbe, Schnürsenkel, Seifen, Hals- oder Sacktücher
gehörten zu ihrem Sortiment. Sie zogen auch als Scheren- und
Messerschleifer, als Kessel-, Pfannen- oder Schirmflicker oder
als Lumpen- und Alteisenhändler durch die Lande. Es soll welche
mit Hunde- oder Eselskarren gegeben haben. Ich kenne nur
welche mit Koffer oder Krätze, also einem Rucktragekorb. Noch
gut erinnere ich mich an die Lumpensammler in meiner Kindheit
, die allerdings bereits mit einem alten Auto unterwegs
waren, mit einer großen Handschelle läutend, wie ehemals der
„Stadtbüttel" oder „Stadtbott", und laut rufend, „Lumpe, Alteise
, Papier, Hasefell!" ihre Altwaren einsammelten.
Es gibt eine Anzahl von Ortschaften in Süddeutschland,
von denen man weiß, dass man dort „Jenisch" gesprochen
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