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„Jenisch" - eine Diebes- oder Gaunersprache? 97^
hat und natürlich dort auch Jenische gewohnt haben. Leider
sind die Jenischsprecher und damit auch das Jenische im Aussterben
. Meines Wissens gab es Jenische in Würmersheim bei
Durmersheim, Eningen bei Reutlingen, Himmlingsweiler bei
Aalen, Lahr, Leinzell im Ostalbkreis, Lützenhardt (heute Gemeinde
Waldachtal) bei Freudenstadt, Wildenstein, Fichtenau
und Matzenbach bei Crailsheim, Burgberg und Oberberg bei
Giengen an der Brenz, Offenburg, Pfedelbach bei Öhringen,
Schlossberg bei Bopfingen, Singen (Hohentwiel), Tübingen,
Zitzenhausen bei Stockach und für mich überraschend, auch in
Wolfach. Dies sind Orte in Baden-Württemberg. Doch scheint
in Wolf ach bereits um 1900 das Jenische nur noch vereinzelt
vorhanden gewesen zu sein.1 Auch für Bayern sind Orte bekannt
: Dinkelsbühl, Höchstädt an der Donau, Ichenhausen,
Schillingsfürst bei Rothenburg ob der Tauber und Schopfloch
bei Dinkelsbühl oder Loosdorf, allerdings in Österreich.
Diese Aufzählung erhebt natürlich keinen Anspruch auf
Vollständigkeit und man muss wissen, dass es solche Sozio-
lekte, also Dialektformen bestimmter sozialer Gruppen, nicht
nur im süddeutschen Sprachraum, sondern auch an der Mosel,
in Luxemburg, in Hessen, auch in Norddeutschland gegeben
hat, z.T. heute auch noch gibt. Aber ich kann und will nicht
näher auf diese Gruppierungen eingehen.
Man sprach „Jenisch" in der Schweiz, in Österreich, auch im
Elsass. Es gibt Autoren, die behaupten, dass Jenische Nachfahren
der Kelten und damit einem Volksstamm zuzuordnen seien.
Ich kenne keinen stichhaltigen Nachweis. Jenische sind aber
keine Sinti oder Roma, obwohl sie beide „Umherziehende"
waren und gleiche oder ähnliche Wanderberufe ausübten.
Jenische zählten zu einer sozialen Schicht, die man heute
unter Umständen als „Nichtsesshafte" bezeichnen würde. Ein
Großteil der bekannten Jenischsiedlungen ist im ausgehenden
17. Jahrhundert entstanden. Durch Steuervorteile wurden sogenannte
Vaganten oder Fahrende „von der Straße" abgeworben.
Die „Herrschaften" versprachen sich eine Entkriminalisierung
der Straße, eine wirtschaftliche Entwicklung benachteiligter
Regionen, vielleicht gab es auch einen sozialen Aspekt, die Bettelei
zu bekämpfen.
Woher kommt das „Jenische"?
Wie könnte sich das Jenische entwickelt haben? Wer befand
sich im und nach dem 30-jährigen Krieg auf der Straße? Entlaufene
und entlassene, also „gartende" Landsknechte (siehe Schilderung
im Simplicissimus), entwurzelte Kinder und Erwach-
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