http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0080
Die Beschlagnahme der elsässischen Glocken während des Ersten Weltkriegs
durch einen Ungeschickten, so „hinkt" das Geläute, indem die einzufügenden
Schläge zu früh oder zu spät einsetzen, was auf den Hörer
ein ziemlichen Eindruck macht und auf die Dauer nicht anzuhören
ist Dadurch, dass die 2 kleineren Glocken des freien Schwungs beraubt
sind, geht dem Geläute das Übermutig - Freudige, das Feierliche
ab, und es entsteht etwas Regelmässiges, Einförmiges, Klagendes,
dem der Charakter des Trauergeläutes nicht abgesprochen werden
kann. Dem Läuter erwachse durch das öftere Ein-und Aushängen
der Glocken eine gewaltige Arbeit, denn ist ein Sterbfall
eingetreten, so wird nach jedem Angelus-Läuten das
Sterbegeläute wiederholt bis zur Beerdigung. Stirbt z. B.
eine Person am Samstag vormittag und findet die Beerdigung
statt am folgenden Montag um 10 h, so müssen
die Glocken bei 7-maligem Sterbegeläute 6 mal ein- und
ausgehängt werden, wobei der Läuter jedesmal zum
Glockenstuhl aufsteigen muss, was bei Winterzeiten
um 6 h [Uhr] morgens und 5 h [Uhr] abends sehr beschwerlich
ist.
Bei Kindtaufen ist wieder ein besonderes Geläute
üblich, ein Glockenspiel (carillon) wird durch den
Paten bestellt und durch denselben in Form eines
Trinkgeldes bezahlt. Es wird in folgender Weise hervorgebracht
: den 3 Glocken gegenüber sind am Glockenstuhl
3 Seile befestigt, die an ihrem anderen Ende eine
Schlaufe tragen. Diese wird um den Kopf des Glockenhammers
gelegt, wodurch dieser in die Nähe des Glockenrandes
gezogen wird, sodass [Abb. 13] ein leichter
Ruck am Seil genügt, um einen Anschlag zu bewirken.
Das Seil der grossen Glocke befestigt der Läuter durch
eine Schlaufe am Fuss, die beiden anderen Seile nimmt
er in die rechte und linke Hand und lässt nun durch
ziehen an denselben die Glocken spielen. Je nach Geschicklichkeit
und musikalischer Veranlagung kommt
dabei ein mehr oder minder ansprechendes Spiel heraus
. Da die 3 Glocken meistens je 1 Ganzton auseinanderliegen
, bewegt sich das Spiel innerhalb einer
grossen Terz und ist demnach räumlich sehr beschränkt
. Das Spiel bevorzugt deshalb meistens Liedermelodien
, die sich in dem angegebenen Raum bewegen,
wobei sie nach Bedürfnis zurecht gestutzt werden.
Nach etwa V2 stündigem Spiel wird in manchen Orten
(Blen [Plaine]) die grosse Glocke ausgehängt und freischwingend
geläutet, wobei die 2 anderen immer weiter
spielen. Während der erste Teil (das reine Glockenspiel
) dem Paten gewidmet ist, so ist der letztere der
Abb. 13: Vorbruck, Befestigung des
Glockenklöppels. (Service de
VInventaire, Strasbourg)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0080