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100 Karl-August Lehmann
Zur ersten Kriegsweihnacht wurden noch Gutzel und Bret-
zeln und Kuchen gebacken mehr als genug.22 Aber es gab erste
Warnungen in den Zeitungen, mit dem Weißmehl sparsam
umzugehen, und stattdessen mehr Roggenmehl zu gebrauchen
. Der Erdölwagen kam nicht mehr so oft, und wenn er
kam, gab es die ersten Hamsterkäufe. Der Krieg bestimmte zunehmend
den Alltag im Dorf. Immer mehr machte sich die Absperrung
Deutschlands vom neutralen Ausland, besonders auch von
Amerika, durch die englische Flotte bemerkbar. Die Engländer haben
erkannt, dass sie uns mit den Waffen nicht besiegen können, nunmehrwollten
sie uns aushungern ...23
Dass Oberharmersbach noch überwiegend landwirtschaftlich
geprägt war und damit viele Selbstversorger hatte, erwies
sich von Vorteil, dennoch spürte man die Folgen der Blockade.
Die Behörden reagierten mit Brot- und Mehlkarten. Nur gegen
Abscheren der Marken durften Müller und Bäcker das verzeichnete
Quantum Mehl und Brot abgeben:
Für Tag und Kopf wurde bestimmt: 225grMehl oder 285gr Brot.
Man konnte alles Mehl haben und selbst backen und auch Kartoffelmehl
darunter machen ...24
Im Laufe des Jahres schlug die Seeblockade voll durch. Salatöl,
Suppensachen, Eier, Kleiderstoffe, Wolle, Seife, nahezu alle
täglichen Bedarfsartikel waren nicht oder nur gegen empfindlich
höhere Preise zu bekommen.25 Die Preise für Brennholz
und Fleisch kletterten in ungeahnte Höhen. Leder verteuerte
sich so stark, dass Schuhe beinahe das Doppelte kosteten wie
zu Kriegsbeginn.
Den Wucher spürte man somit auch auf dem Lande. Großhändler
, so erklärte Pfarrer Johann Busse, verwöhnt durch die
Militärbehörde, hätten massenweise Kartoffeln, Zucker, Kerzen,
Seife, geräuchertes Fleisch und Wurstwaren aufgekauft und so
eine Knappheit erzeugt. Vieles sei bei der Hortung aber auch
verdorben.26
Zur allgemeinen Teuerung, die seit Kriegsbeginn bei vielen
Grundnahrungsmitteln nahezu eine Verdoppelung des
Preises bewirkt hatte, kam eine immer umfassendere Zuteilung
auf Karten. Selbstversorger mussten ihre Mahlscheine
anmelden, ebenso Hausschlachtungen. Weißbrot durfte
schon länger keines mehr gebacken werden. Nur Kranke hatten
Anspruch auf Zwieback. Im September 1916 wurde die
Brotration von 3700 Gramm auf 2500 Gramm für zwei Wochen
gekürzt. Das Mehl musste zu 80 Prozent ausgemahlen
werden.
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