http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0115
114
Manfred Merker
Die Lehrpläne: In den inzwischen zentral beheizten und elektrisch
beleuchteten Schulzimmern war noch der Geist des humanistisch
geprägten 19. Jahrhunderts präsent: Latein wurde
als Hauptfach von der Sexta (5. Klasse) bis zur Oberprima (13.
Klasse) wöchentlich achtstündig unterrichtet, Griechisch mit
sechs Stunden. Mit Abstand folgten Deutsch, Mathematik und
die anderen, meist zweistündigen Fächer. Die Vielseitigkeit des
Unterrichts wurde garantiert durch ausgiebigen Sportunterricht
und Musik, aber auch durch Stunden in Englisch, Freizeichnen
, darstellender Geometrie und Handfertigkeit. In Latein
lasen die Schüler nach der Mittelstufenlektüre mit Cäsar
(Gallischer Krieg) und Livius (Römische Geschichte) in UI und
Ol ausgiebig Cicero (Reden), Sallust (Catilina), Horaz (Oden
und Episteln), Vergil (Trojanischer und Latinischer Krieg:
Äneis) und Tacitus (Annalen; Germania). In Griechisch las,
übersetzte, interpretierte und deklamierte man Xenophon
(Anabasis), Piaton (Dialoge), Sophokles (Tragödien), Homer
(Trojanischer Krieg: Ilias; Odyssee) und Thukydides (Peloppo-
nesischer Krieg). Inhaltlich ging es in der altphilologischen
Prosa, Epik und Lyrik vorwiegend um kriegerische und historische
Stoffe. Die leichte Muse Ovids, Vergils und Theokrits Hirtengedichte
oder die römischen Liebeselegiker sucht man vergebens
in den Lehrplänen des großherzoglichen Baden und im
wilhelminischen Kaiserreich.2
Die Jahresfeiern: Das Jahrbuch des großherzoglich-badischen
Gymnasiums listet auch die Feiern des Schuljahres detailliert
auf. In ihnen spiegelt sich anschaulich das fast idyllische Normalspektrum
eines Friedensjahres, in dem monarchische Feste
und historische Gedenktage dominieren. Mit ihnen sollte es
dann 1918 nach dem völligen Systemzusammenbruch und
einem bitter verlorenen Krieg in vier Jahren für alle Zukunft
völlig vorbei sein. Das Jahr begann festlich am 26.01.1913 mit
der öffentlichen Feier des Geburtstags seiner Majestät des deutschen
Kaisers und preußischen Königs Wilhelm IL, LR., im
Unionssaal mit einer Festrede des Oberprimaners Max Kuner,
Musik des Schulorchesters und einer Theateraufführung von
Theodor Körners Drama „Joseph Heiderich". Anwesend waren
alle Honoratioren der Stadt mit ihren Familien und den von
den Tanzdamen heiß begehrten schneidigen Jungoffizieren der
neuen Offenburger Garnison (1898) vom Traditionsregiment
170. Am 04.03. besuchte die Oberstufe das nahe Stadttheater
im deutschen Straßburg mit einer Aufführung von Schillers
„Wallenstein", die Oberprima unternahm am 24.05. unter
ihrem Direktor eine Klassenfahrt zum Frankfurter Dom, Goe-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0115