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Schriftsteller im Elsass und in Lothringen 1914-18 9f)^
Nicht nur in den großen Städten gab es Feldlazarette, auch in
den kleinen wie Saargemünd. Von 1915 bis 1917 war der
Schriftsteller Alfred Döblin (1878-1957) hier als Arzt tätig.
Ende 1914 hatte er sich freiwillig gemeldet und noch im Dezember
in der Frankfurter Rundschau ein übles Kriegs-Pamphlet
veröffentlicht. Am zweiten Weihnachtsfeiertag erhielt er
seinen Gestellungsbefehl. Gleich nach seiner Ankunft schrieb
er aus dem Hotel Royal an seinen Verleger Herwarth Waiden
(03.01.1915):
Nun sitze ich in diesem lothringischen Nest. Ich sehe keine Autos,
keine Droschke; ab und zu einen Handwagen, bäurische Leute
mit schiefen schwarzen Filzhüten, den langen Shawl halbitalienisch
um Hals und Schulter. Kapläne mit dem breiten Jesuitenhut
und langem faltigen Rock. Rotbäckige Kinder auf den Plätzen; der
breite tonvolle Dialekt, der sich viel Zeit läßt. Ich wohne in einem
der drei Hotels an der Bahn; fünfzehn Minuten gradeaus von
hier ist das Städtchen ganz durchschritten; draußen liegt unser
Lazarett.
(...) Wer soll diese Gesellschaft in der Nähe aushalten. Sie ist
grausig: Kleinbürger, die sich gegenseitig beklatschen, Geschwätz
unter einander her tragen. Du weißt, dass das Furchtbarste die
Gesinnungsschnüffelei ist; das findet man hier aufs Schönste
rechts und links; wie soll ich mit meiner Frivolität und Leichtigkeit
in diesen Sachen da aushalten. (Schock, S. 15 f.)
Des Hotellebens überdrüssig, bezog Döblin am 26. Januar 1915
eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Marktstraße 7 (heute: Rue
de la Paix), eine „verflucht stillose" Wohnung (23.03.1915 an
Waiden). Hier verfasste er das expressionistische „Schauermärchen
" Das Gespenst vom Ritthof eine düstere Geschichte, die im
Oktober 1915 in Waldens Zeitschrift Der Sturm erschien. Doch
sein Blick auf Elsass-Lothringen änderte sich kaum. Am 31. Januar
1915 beschwerte er sich in einem Brief an Waiden über
das „sonderbare Mischmasch von Volk", das er in Elsass-Lothringen
vorgefunden habe, und fuhr fort:
Ich habe danach überhaupt den Animus, dass wir viel zu anständig
von den Franzosen denken. Sonderbar berührt dabei in diesem
Nest hier, wie viele französische Namen, Vornamen es noch
giebt; ich habe Ansichtskarten gekauft, auf denen 1914 noch
steht „Vue de Saarguemines" (!), ebenso Porzellan mit Saargue-
mines signiert. Eine dolle Komödie für uns Preußen. Erst jetzt
wird energisch auf Schildern verdeutscht, es scheint mit polizeilicher
Nachhilfe ... (Schock, S. 27)
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