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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 222
(PDF, 98 MB)
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Stefan Woltersdorff

Nur einige Stämme hier und da hatte das Granatfeuer übriggelassen
. In den Dörfern war der Befehl angeschlagen, daß jedermann
stets die Gasmaske mit sich tragen müsse. (Schweitzer, S. 203 f.)

Wie nah das Ende bereits war, ahnten damals nur wenige: Am
Morgen des 10. November 1918 ging eine alte Hagenauerin wie
immer zum Wasserturmplatz (heute Place Robert Schuman),
um Pferdeäpfel zu sammeln. Dabei bemerkte sie etwas Unglaubliches
: Die Schildwache vor der benachbarten Schule,
damals Kaserne, war nicht auf dem Posten:

Die Frau ging wirklich gerade über den Wasserturmplatz (...). In
der langen niedrigen Schule an der Straßenkreuzung lagen Rekruten
. Das große Tor zum Schulhof war verschlossen. Man hörte
schreien, laute Männerrufe. Die Frau, die gerade das Trottoir vor
der Schule verließ, horchte hin. Sie runzelte mißbilligend die
Stirn, aber hielt sich nicht auf. Sie war auf dem Sprung. Da
saßen schon die Raben, den ganzen Damm vor der Schule bedeckten
sie und hackten und krächzten, und dazwischen flatterten
die grauen Sperlinge, und alle hielten sich an ihre Beute, als
wenn es ein Gerstenfeld wäre. Es war der Pferdemist, den sie für
ihr Gemüsegärtchen brauchte (...). Wie sie mit dem vollen Eimer
auf das Schilderhaus zuging, neben der breiten Schultreppe,
staunte sie. Sie suchte. Sie wollte ihren Eimer wie jeden Morgen
der jungen Schildwache zur Aufbewahrung geben, bis Mittag,
wenn sie von der Arbeit kam. Der Bursche war nicht da. Drin
schrien sie hinter dem geschlossenen Tor unentwegt weiter, es
war schon ein Gebrüll. Die Alte, ihren Eimer in der Hand, war
drauf und dran, an das Tor zu klopfen und Ruhe zu fordern.
(Döblin: Bd.l, S. 5f.)

So beginnt der Roman November 1918 von Alfred Döblin. In
der 1939 abgeschlossenen Trilogie lässt er die alte Dame Weltgeschichte
erleben: An jenem 10. November hatte der deutsche
Kaiser abgedankt, der Erste Weltkrieg war zu Ende, die Soldaten
verließen die Kasernen. Auf den Straßen tauchten deutsche
Soldatenräte mit roter Armbinde (der Farbe der Revolution),
elsässische Bürgerwehren mit rot-weißer Binde (den Farben des
Elsass) und Vertreter des lokalen Empfangskomitees mit blauweiß
-roten Kokarden auf (den Farben Frankreichs).

Döblin hatte die Ereignisse selbst miterlebt. Seit August 1917
lebte er mit seiner Familie in der Schanzenstr. 2 (heute 30 Rue
de la Redoute) in Hagenau und arbeitete in den Spitälern von
Bischweiler und Marienthal. Teile des Romans Wadzeks Kampf
mit der Dampfturbine (1918) und des Anti-Kriegsromans Wallen-


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