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Granatkommotionsneurosen
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sation des Kopfes haben sich die Beschwerden
wesentlich gebessert
Reservist H. B., 26 Jahre: Am 1. November
wurde er durch den Luftdruck
einer hinter ihm einschlagenden Granate
in den Schützengraben geschleudert
. Als er nach einer Viertelstunde
zu sich kam, spürte er schnelles unregelmäßiges
Herzklopfen, er war kurzluftig
durch den „Schwefeldunst der
Granate." Behandlung: Ruhe, Baldrian
. Beschwerden gebessert, zur Garnison
entlassen.
Die Therapie bestand häufig allein in
Ruhe, Liegekur und „Verbalsuggestion
", also einer Form der Psychotherapie
. Brom und Baldrian wurden als
Medikament eingesetzt. Ziel der Behandlung
war die Dienstfähigkeit des
Soldaten. Nun ging es also wieder hinaus
zu den Granaten ...
Aus der Rheinischen Provinzial Heil- und Pflegeanstalt
Grafenberg.
Uber Granatkommotionsneurosen.
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INAUGURALDISSERTATION
ZUR ERLANGUNG DER
MEDIZINISCHEN DOKTORWÜRDE
VORGELEGT DER
HOHEN MEDIZINISCHEN FAKULTÄT
DER
ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT
zu
FREIBURG IM BREISGAU
VON
HERTHA WIEGAND GEB. LION
ASSISTENZÄRZTIN DER ANSTALT
AUS
EUENHEIM
(BADEN).
Tod einer Ärztin
Mit dieser Arbeit promovierte Frau
Wiegand. Sie ließ sich nach dem erfolgreichen
Abschluss ihrer Studien in der heimatlichen Orten-
au nieder und betrieb gemeinsam mit ihrem Mann in Offenburg
eine Praxis bis zu dessen Tod, dann führte sie die Arbeit
alleine weiter. Sie war eine beliebte Ärztin und hatte nicht nur
städtische Patienten, sondern auch viele aus dem ländlichen
Umland. Besonders die Frauen fühlten sich bei ihr gut aufgehoben
und behandelt. Religiös war sie nicht, wie ihre Tochter
später aussagte, sie war auch nicht Mitglied der jüdischen Gemeinde
Offenburgs. Doch das war den auf „Rasse" und „Blut"
fixierten Nationalsozialisten egal und die Tochter Dorothea
erinnerte sich deshalb: „Meiner Mutter wurde aufgrund der
vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz mit Wirkung vom
30. Sept. 1938 die Approbation als Arzt entzogen. Ich erinnere
mich noch sehr gut an den letzten Tag, als meine Mutter die
Praxis geöffnet hatte. Die Patienten kamen so zahlreich, daß
meine Mutter bis tief in die Nacht arbeiten mußte. Ein Kollege
aus Gengenbach ließ es sich nicht nehmen, an diesem Tag bei ihr
Freiburg i. B.
Speyer & Kaerner, Universitätsbuchhandlung.
1915.
Titelblatt der
Dissertation „Über
Granatkommotionsneurosen
'' von
Hertha Wiegand.
Quelle: Stadtarchiv
Offenburg
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