http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0350
„Wenn ich mich nicht jetzt melde, dann ist der Krieg vorbei, ohne dass ich dabei war" ^49
Die Redaktion des Jahresbands 2014 „Die Ortenau" gab mir
„Nicht mehr als zwanzig Seiten!" für den Umfang für den Beitrag
vor. Deswegen musste ich den Auszug aus dem wesentlich
umfangreicheren Bericht meines Vaters auf seine Erlebnisse an
der Ostfront bis zum Sommer 1915 beschränken.
Nach seinem Einsatz an der Ostfront wurde mein Vater an
die Fronten im Westen verlegt, zuerst in die Champagne und
dann nach Lothringen. Er kämpfte gegen den „Franzmann"
und die „Franzmänner" und gegen den „ Tommy" bzw. die
„Tommies" fürs „deutsche Volk und Vaterland". An der Ostfront
hatte er es - so schrieb mein Vater in seinen Aufzeichnungen -
mit „dem Russen" beziehungsweise „den Russkis" und mit den
„Polacken" zu tun.
Man kämpfte im Ersten Weltkrieg noch sehr häufig Mann
gegen Mann. Die Gegner kannte man nicht mit Namen, manche
allenfalls, wenn sie begraben oder gefangen wurden. Es
gehörte und gehört zu den schlimmen Aufgaben der Soldaten,
Menschen, die man nicht persönlich kennt und die einem
nichts Böses angetan haben, die auch lieber leben als sterben,
ins Jenseits zu befördern. Besonders die einfachen Soldaten
wurden wie Schachfiguren mal dahin, mal dorthin bewegt
und ohne Mitleid geopfert.
Mein Vater fand für die gegnerischen Soldaten, die verletzt,
getötet oder gefangen wurden, keine Worte des Mitleids.
Schließlich trachteten sie ja nach seinem Leben und dem seiner
Kameraden. Mein Vater selbst wollte nicht töten, schrieb er, und
so entschied er sich, als Sanitäter zu dienen. Immerhin hat
mein Vater die Leiden der Zivilbevölkerung in den Schlachtgebieten
erwähnt und Mitgefühl und manchmal auch Sympathie
für die vom Krieg betroffenen Zivilisten ausgedrückt. Anders
als die anonymen Gegner hatten die eigenen Kameraden
und Vorgesetzten Namen. Mein Vater notierte über sie, wie sie
sich verhielten und beschrieb sie als Personen, die er mochte
oder auch nicht mochte.
In seinem Bericht kommen Achern, die geliebte Heimatstadt,
die Ortenau, Baden und auch Vater und Mutter, Verwandte,
Nachbarn, seine Lehrer, Klassenkameraden und Freunde vor.
Das verleiht dem Bericht über den Ersten Weltkrieg ein sehr
persönliches, authentisches und heimatliches Kolorit.
Die handschriftlichen Originalblätter des Berichts meines
Vaters brechen 1917 nach 143 Seiten mitten in einem Satz ab.
Der Bericht umfasst somit nicht die vollständige Kriegszeit, er
geht also nicht bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Die letzten
Seiten des Originalberichts sind offensichtlich irgendwann
verloren gegangen.
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