Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 372
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*Z~70 Gernot Joerger

bahn verpackt. Unterwegs schmeiße ich meinen zerlumpten, aus
allen Fugen gegangenen Mantel aus dem Fenster. Schade dass
ich später das lädierte Seitengewehr und auch den durchschossen
Stiefel noch abgeben musste, hatte der doch den zweiten
und vierten Schuss aufgefangen. Das Bähnle klettert höher und
höher. Auf der viel sagenden Station Elend werden wir „ausgebootet
". Wer nicht gut zu Fuß ist, wird in einen Schlitten verladen
. Fein ist das. Man packt uns in warme Decken ein, dann
beginnt eine schöne Fahrt durch den Harz-Winter.

Schierke29. Bisher habe ich von der Existenz eines Kurorts
dieses Namens nichts gewusst. Und nun werde ich gar Gast im
Kurhotel Schierke und wohne zusammen mit einem Fahrer aus
Norddeutschland in einem nach Süden gehenden, freundlichen
Zimmer. Als erstes mussten wir natürlich baden. Die
Haare wurden geschnitten. Der sieben Wochen alte Bart wurde
abrasiert ... Meine alten Kleider wurden, außer dem Waffenrock
, durch neue ersetzt. Nun sahen wir wieder wie Menschen
aus. Wir fühlten uns fast wie Kurgäste. Die Wunde heilt tadellos
. Aber mein Gesundheitszustand erfordert Erholung und
Ruhe. Und das sieht auch der Arzt so. Nach Hause schicke ich
Brandbriefe: bitte schickt Fresspakete. Der Appetit meldet sich
und hier sind die Portionen zwar zufriedenstellend, aber ich
bin ausgehungert. ... Nach und nach kommen die begehrten
Fresspakete an. Sie werden freundlich begrüßt.

Man lebt sich ein. Vormittags ist Visite. Wer ausgehen kann,
darf nachmittags das Lazarett verlassen und sich den Ort und
die Gegend besehen, sich auch schon mal anpfeifen lassen,
weil mein soldatischer Gruß an einen vorbeikommenden Offizier
nicht zackig genug ausgefallen ist ... Wir fühlen uns als
Feldsoldaten und solche affigen „Heimatkämpfer" können uns
mal ...

Die Lebensgeister werden mit jedem Tag wacher.

An Ostern besuche ich den Gottesdienst in der einzigen
Kirche des Ortes, der protestantischen. Warum auch nicht.
Schließlich haben wir Katholiken und Protestanten ja denselben
Herrgott. Am Weißen Sonntag wage ich mit einigen Kameraden
den Aufstieg auf den Brocken. Dort oben liegt noch tiefer
Schnee. Turm und Hotel stecken in dicken Schneeverwehungen
. Auf dem Rückweg überholen wir ein paar Mädel. Wir
fangen eine Neckerei an. An den groben Späßen und Anzüglichkeiten
einiger der Kameraden nehmen die Mädel aber mit
Recht Anstoß und verzichten auf unsere Begleitung. Ich habe
es ihnen nicht verdenken können.

Eines schönen Tages, so etwa 4-5 Wochen nach der Ankunft
in Schierke, müssen wir zur Untersuchung. Etliche Käme-


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