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422 Johannes Werner
in der er war; ja, erst dann, wenn er den zeitlichen und räumlichen
Abstand gewonnen hat, gehen ihm die Augen auf:
nämlich für das scheinbar Selbstverständliche, das sich jetzt
und hier aber nicht mehr von selbst versteht, das fremd und
deshalb beschreibenswert geworden ist. Theodor Fontane (der
1819 übrigens auch, wie Stolz, als Sohn eines Apothekers geboren
wurde) fürchtete, dass man das, was er über seine Kindheit
schrieb, missverstehen könne; aber dann „verbliebe mir
immer noch die Hoffnung, in diesen meinen Aufzeichnungen
wenigstens etwas Zeitbildliches gegeben zu haben"36.
Dieses Verdienst ist allen denen zu attestieren, von denen hier
die Rede war, und man kann es nicht vergessen, auch wenn
man sie selber vergessen sollte.
Die, von denen hier die Rede war, sind allesamt über sich und
ihre Heimat, die sie verließen, hinausgewachsen und haben sie
und sich dann wiedergefunden - indem sie sich erinnerten,
und indem sie schrieben.37 Damit haben sie die Literatur, und
nicht nur die der Ortenau, bereichert, und wir, die Leser, sollten
es ihnen danken.
Anmerkungen
1 Zit.n.: von Kraus, Carl: Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Bd. 1 (= Text). Tübingen
1952, 22. - Der Text bei Wolfgang Neuß (Von Hornberg - ein Adelsname. Herrschaft, Stadt und
Amt. Hannover 2010, 57) ist leider fehlerhaft.
2 Vgl. Werner, Johannes: „Miner frouwen minnestricke Bruno von Hornberg in Wort und
Bild. In: Die Ortenau 54 (1974), 269-273. - Nochmals sind hier die Irrtümer zurückzuweisen,
die Karlleopold Hitzfeld in seinem Aufsatz über „Die Schlösser bei Hornberg" (in: Die Ortenau
50 [1970], 373-402) verbreitet hat: weder verdient es Bruno, als „wandernder Sänger" bezeichnet
und so zu einem Vaganten hinabgestuft zu werden, noch ist anzunehmen, dass er seine
Dichtungen „aufgeschrieben" hat; dass auf seiner Burg „berühmte Rittererzählungen gesungen
" worden seien, stimmt im Zeitalter der Buchepik nicht mehr und ginge ihn als Lyriker
auch gar nichts an; und seine lyrischen Lieder hat er außerdem auch kaum „auf der Harfe", aber
eher auf einem Streichinstrument nach Art der Fidel improvisierend begleitet, also nicht eigentlich
„vertont".
3 Zit.n. Kraus, a.a.O.
4 Vgl. Anm. 36.
5 Vgl. Werner, Johannes: Das Leben auf den Burgen. Sozialgeschichtliche Korrekturen am Bild
der mittelalterlichen Feudalität. In: Burgen und Schlösser 1/1973, 2-4.
6 Zit.n. Kraus, a.a.O, 24.
7 William Shakespeare, Romeo und Julia (111,5); nach der Übersetzung von August Wilhelm von
Schlegel.
8 Vgl. Ruch, Martin (Hrsg.): Offenburg, die Ortenau und die Literatur. Ein Lesebuch zur Literaturgeschichte
Mittelbadens. Norderstedt 2004. - Der 1961 in Haslach geborene Jose F. A. Oliver
konnte im Rahmen dieser Darstellung, als einer historisch orientierten, noch nicht berücksichtigt
werden.
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