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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 483
(PDF, 98 MB)
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Das Bildungsangebot in der Schulstadt Offenburg - vor 500 Jahren

Sopher seinen Übertragungen nicht selten einen lebendiglockeren
Ton.

Schon der erste der von ihm neu hinzugefügten Sätze charakterisiert
seinen Umgang mit der Sprache. Ex abundantia cordis
os loquitur. Wes das hertz voll ist, gat der mund über. Genau so
nahm Martin Luther das Bibelwort (Matth. 12.34 ) in seine
Übersetzung des Neuen Testamentes auf und erntete dafür heftige
Kritik von zeitgenössischen Theologen. Im Sendbrief von
Dolmetschen (1530) wehrte er sich mit den Worten: Als wenn
Christus spricht Ex abundantia cordis os loquitur. Wenn ich den
Eseln soll folgen, die werden mir die buchstaben furlegen und also
dolmetschen: Aufs dem uberflus des hertzen redet der mund. Sage
mir, Ist das deutsch geredt? Welcher deutscher verstehet solchs? Was
ist uberflus des hertzen für ein ding? Das kann kein deutscher sagen.
... Sondern also redet die muotter ym haus und der gemeine man:
Wes das hertz vol ist, des gehet der mund über. Das heistgut deutsch
geredt, des ich mich geflissen und leider nicht allwege erreicht noch
troffen habe. Denn die lateinischen buchstaben hindern aus der
massen (über alle Maßen,) seer gut deutsch zu reden.26

Luther setzt sich hier engagiert mit dem alten Problem der
Übersetzung aus der fremden in die eigene Sprache auseinander
, wie das schon der Kirchenvater Hieronymus auf die
knappe Formel gebracht hat: Non verbum e verbo, sed sensum
exprimere de sensu. Das Thema wurde unter den jungen elsässi-
schen Humanisten lebhaft diskutiert. Der Wimpfeling-Schüler
Matthias Ringmann glaubt, sich rechtfertigen zu müssen für
seine Caesar-Übersetzung, die er 1507 bei Johannes Grüninger
in Straßburg herausgab.27 £5 erforderet ein iedlich gezüng und
sprach iren eignen lauffund fürgang. Mit Recht habe der römische
Dichter Horaz in seiner Ars poetica gefordert, das ein ietlicher
interpres (das ist ein Dolmetsch), der ein gezüng durch dz ander uß-
legt, sich nit vleissen soll in gleicher Ordnung wort für wort zu machen
, sunder setze ein guotenn verstendigen sinn.

Darüber musste sich auch der Lateinlehrer Sopher Gedanken
machen. Er suchte wie Luther eine volksnahe Sprache,
auch wenn sie sich vom ursprünglichen Text löste. Ihm lag die
Sprache der Mutter und des gemeinen Mannes am Herzen, wie
er auch schon im Wörterbuch bewies. Die deutsche Fassung
von abundantia cordis hat er nicht erfunden, sondern bereits
aus dem volkstümlichen Sprachschatz geschöpft. Schon eine
Colmarer Handschrift des ausgehenden 15. Jahrhunderts notierte
den gemein Spruch: was das herz voll ist, louf der munt
über.28 Sophers Lateinbuch sollte zu einer lebendigen Begegnung
zweier Sprachen anregen. In dieser Intention hat er auch
die lateinische Wendung ad graecos annos umgesetzt, nicht


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