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506 Rolf°swald
vom Spuk und von solchen Sachen". Die Lehrer sprachen sehr
positiv über den Nationalsozialismus. Sie sangen oft ein Lied
mit folgenden Worten „Ja wir sind die Braunen, die Adolf Hitler
lieben ..." Im Klassenzimmer hing ein Bild von Adolf Hitler, das
sollte an einem Festtag besonders hervorgehoben und deshalb
geschmückt werden. Alisia Birk hat sich eifrig gemeldet, sie
wollte es unbedingt schmücken, was sie dann durfte. Allerdings
fragte sie sich: Warum waren denn die Eltern und die Oma zu
Hause so gegen Hitler, ihre Mitschülerinnen aber so für ihn? Sie
verstand dies nicht, denn auch der Lehrer hat die großen Taten
von Adolf Hitler gelobt. Diese unterschiedlichen Ansichten
führten bei Alisia zu großen inneren Konflikten. Was sollte sie
glauben? Die Mutter hatte zu Hause immer Recht. Dasselbe galt
aber auch für den Lehrer in der Schule, er war ebenfalls eine
Respektperson. Lebte sie in zwei verschiedenen Welten?
Die Mutter Franziska Birk
Franziska Birk war eine sehr umsichtige und sparsame Frau, die
darauf achtete, dass nichts verloren ging und nichts verdarb; es
musste „auch noch die letzte Kirsche vom Baum geholt werden,
damit sie nicht verfaulte. Beim Pflücken durfte aber kein Zweiglein
beschädigt werden."8 Diese Frau, die ehrfürchtig die Dinge
des Alltags behandelte, sich couragiert und gutmütig anderen
gegenüber verhielt, hatte neben der harten Arbeit im Feld und
Wald noch ein Hobby: die Bienenzucht. Sie hatte eine Imker-
Ausrüstung, darin ging sie sehr sicher und gekonnt zu Werke.
Die Mutter war eine starke Persönlichkeit, die sich mit dem,
was sie für richtig hielt, durchsetzte. Zum Beispiel: Es gab auf
dem Hof ein Wasserrad, das über einen Transmissionsriemen
drei Geräte antreiben konnte: die Dreschmaschine, die Schrotmühle
und eine Häckselmaschine für das Stroh. Als das örtliche
Elektrizitätswerk, das „Badenwerk", Strom bis nach Nordrach-
Kolonie verlegte, wollte man ihren Hof nur mit Haushaltsstrom
beliefern. Sie hat von den Männern energisch gefordert, auch
einen Starkstromanschluss für die Maschinen zu verlegen. So
ist es dann auch geschehen. Für die Mädchen war die Mutter
eine absolute Respektsperson, sie hätten sich niemals getraut,
der Mutter zu widersprechen oder sie gar zu kritisieren. Auch
Streit unter den Schwestern gab es in Anwesenheit der Mutter
nie, sie duldete das nicht; so mussten sie ihren Streit auf dem
Schulweg oder sonst wo austragen. Die Mutter war gegen Gewalt
und Aggression. Sie ist als strenge, aber seelengute Frau in
Erinnerung. Keine ihrer heute noch lebenden drei Töchter
kann sich erinnern, je von der Mutter bestraft worden zu sein.
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