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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 507
(PDF, 98 MB)
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Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten - die mutigen Frauen vom Stollengrund *\f)7

Für Volk und Vaterland 1940

Alisia, die älteste Tochter, war 1940 inzwischen 19 Jahre alt;
Franziska 17, Lydia 12 und die Kleinste, Cäcilia, war gerade
fünf Jahre alt.

Wilhelm, der Sohn, war nun schon über ein Jahr an der
Ostfront. Er schrieb Feldpost-Briefe und fügte Fotos bei, auf
denen er als stolzer Uniformträger abgebildet war.

Die Mutter schrieb zurück und schickte ihm regelmäßig
Päckchen mit Speck und gutem Bauernbrot. Weil er viel marschieren
musste, hatte er oft wunde Füße, dafür legte ihm die
Mutter fürsorglich Heilsalbe und neue, selbstgestrickte Socken
ins Päckchen.

Irgendwann im Jahre 1941 kamen diese Päckchen ungeöffnet
zurück; die Kinder nahmen sie in Empfang und fragten sich
bang, was das zu bedeuten habe. Sie hatten eine böse Ahnung
und sie versteckten die ungeöffneten Päckchen vor der Mutter.

Eines Tages im Oktober 1941 war die damals 12-jährige
Lydia in der Schule in Nordrach-Kolonie; nach Schulschluss
sprach sie der Briefträger an und sagte: „Hier ist ein eingeschriebener
Brief für die Mutter, nimm ihn mit hoch und gib ihn ihr.u Der
Briefträger hatte, um sich den Weg in den abgelegenen Hof zu
sparen, ihr schon öfter diesen Auftrag gegeben. Aber diesmal
war es ganz anders, es durchfuhr sie sofort ein furchtbarer
Schreck. Es musste etwas mit dem Wilhelm passiert sein! Sie
konnte vor Angst nicht sprechen und wollte den Brief nicht
annehmen. Lydia befürchtete, es könne etwas ganz Schlimmes
über den Bruder drin stehen.

Die quälende Angst löste sich auf dem Weg nach Hause
nicht auf. Was tun mit dem Brief? Sie konnte ihn nicht der
ahnungslosen Mutter geben, sie konnte sich aber auch nicht
vorstellen, einen Brief zu öffnen, der an die Mutter gerichtet
war. Lydia wollte ihn nicht wahrhaben, ihn irgendwo verstecken
. Als sie Mikolaj sah, vertraute sie sich ihm an, sie
habe so Angst, weil sie nicht wisse, was in dem Brief steht.
Er versuchte, sie zu beruhigen und öffnete mit ihr den Brief. Sie
lasen, dass der Bruder bei Smolensk schwer verwundet wurde
und im Lazarett gestorben war. Als die Mutter dies erfuhr, war
sie völlig verzweifelt und weinte hemmungslos; ihr Schmerz
löste heftigste Weinkrämpfe ohne Ende aus, es war so furchtbar
, dass die kleine Tochter Cäcilia Angst bekam und glaubte,
die Mutter müsse nun auch sterben. Sie flehte die Mutter an:
„Mama, denk auch noch an mich, ich bin doch die Jüngste/'9

Im Familienalbum findet sich ein Foto aus dieser Zeit: Es
zeigt einen Erdaushub, darin stehen geschmückte Särge, die

Abb. 5: Wilhelm Birk
(1920-1941) als
deutscher Soldat
1940.


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