http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2015/0270
Die Leutkirche in Oberschopfheim: neue Erkenntnisse zur Chorausmalung und zur Baugeschichte 269
In der Inschriftzone unterhalb
der Gemälde befindet sich der
den Aposteln traditionell zugeordnete
Credotext in deutschen
Worten in schwarzer Fraktur mit
rot hervorgehobenen Majuskeln.
Es wurden vereinzelt schwarze
Fragmente der ersten Inschrift
festgestellt, die aufgrund der späteren
vollflächigen Schriftrekonstruktion
nach 1905 durch Augustin
Kolb jedoch nur schwer
identifizierbar sind. Erkennbar
sind einzelne Lettern in einer der
Übermalung sehr ähnlichen
Fraktur form. Aufgrund der Strati-
grafie können diese Lettern auch
zeitlich nach den Wandgemälden
aufgemalt worden sein, eine
ältere lateinische Inschrift in lateinischen
Lettern wurde aber
nicht befundet.
Nach der aufgrund der beschriebenen Befunde anscheinend
sehr getreuen Rekonstruktion der Inschrift 1905 durch
Augustin Kolb wurden die Frakturlettern in einer schlichteren
Schwabacher Form 1953 durch Emil Brischle überformt. Eine
sehr späte Änderung innerhalb der Inschriften ergab sich
1964 durch den Maler und Restaurator Manfred Schmid, der
die beiden Apostel neben dem Chorbogen (um vorhandene
Leuchtstoffröhren herum!) neu gemalt hat. Der Name Paulus
wurde zu „Mathias" umgearbeitet. Aufgrund des acrylhalti-
gen Farbmaterials sind die Retuschen Schmids im Inschriftbereich
gut erkennbar. Die zugehörige Apostelfigur hält als Attribut
ein Beil in der Hand und stellt sich somit tatsächlich als
Mathias dar, der mit Paulus um die Ehre des zwölften Apostels
nach dem Ausscheiden des Judas konkurriert. Das Beil ist stra-
tigrafisch der Überarbeitung Kolbs zuordenbar, der gleichzeitig
jedoch die Inschrift „Paulus" rekonstruierte. Aufgrund des
Eindrucks der großen „Werktreue" Kolbs während seiner
Überarbeitung der Wandgemälde muss hier schon zu einem
frühen Zeitpunkt eine Veränderung stattgefunden haben. So
spiegelt sich in diesem Sachverhalt die kirchenhistorische
Auseinandersetzung wider, ob der von Gott berufene oder der
durch Los ermittelte nun den Kreis der Zwölf vervollständigen
soll.
Inschrift im Bereich
des Apostels Philippus
nach Abschluss der
Konservierung, noch
vor der Retusche.
Erkennbar sind
Fragmente der älteren
Inschrift
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2015/0270