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OQQ Johannes Werner
ist anwesend und sitzt im Hintergrund. Die Kinder haben ihre blauen
Uniformkleider an und stehen zu beiden Seiten des Saales. - Die reverende
mere hat die Liste in der Hand und verteilt die Preise oder proklamiert
die schlechten Noten. Diejenigen, welche Preise bekommen,
treten vor, verneigen sich tief vor der reverende mere und erhalten
ihren Preis mit einigen guten Worten. Die mit den schlechten Noten
müssen zur Strafe mitten in den Saal stehen. (94) Es ist, wie weitere
Beispiele belegen würden, ein ausgeklügeltes, oft willkürlich gehandhabtes
System, gegen das keinerlei Einspruch erhoben
werden kann; auch dann nicht, wenn nicht eine Klosterfrau,
sondern eine ältere Schülerin, eine sogenannte „ancienne", die
Aufsicht führt.
Im Vergleich
Einen literarischen Wert hat dieses Büchlein sicherlich nicht,
wohl aber einen dokumentarischen; denn aus der Offenburger
Klosterschule drang in jener Zeit sonst nichts nach draußen,
und aus vergleichbaren klösterlichen, der weiblichen Erziehung
gewidmeten Institutionen auch nicht viel.7 Später erst
beschrieb Annette Kolb8 das Internat der Salesianerinnen in
Thurnfeld in Tirol; Mechthilde Lichnowsky9 das der Damen
von Sacre-Cceur in Schloss Riedenburg bei Bregenz; Mary
McCarthy10 das desselben Ordens in Seattle. Bei aller Verschiedenheit
des Ortes und der Zeit unterscheiden sich ihre Berichte
in der Sache weder voneinander noch von dem, den Hermine
Villinger gegeben hat - von ihm jedoch, und zwar sehr deutlich
, in ihrer Haltung, die eine durchaus distanzierte, kritische,
ja oft negative ist. Es ging den anderen „wie so vielen. Daß
Kinder einem Glauben, in den sie auf solche Weise eingeweiht
wurden, eines Tages den Rücken kehren, ist das Naheliegendste
, was es gibt, und erfordert spottwenig Geist/'11
Anders als die anderen scheint Hermine Villinger noch
immer ganz identisch mit der kleinen Klosterschülerin, die sie
einmal war, noch „ganz von der frommen Luft benommen"12.
Dagegen hat sich Barbara Frischmuth13, die das Internat der
Kreuzschwestern in Gmunden besuchte, künstlich in jene Jahre
zurückversetzt und mit verstellter Stimme die Phrasen nachgesprochen
, die man ihr immer wieder vorgesprochen hat. „Wir
sind zu Dank verpflichtet, sowohl für die Güte als auch für die
Strenge, denn was an uns geschieht, ist an zahllosen Generationen
geschehen, und allen ist es schließlich zugute gekommen.
Niemand hat Schaden genommen, die meisten konnten es zu
etwas bringen. Die Methode bewährt sich, das werden auch wir
noch einsehen. (...) Hinter uns wird unsere Mutter, die Kirche,
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