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Manfred Merker
I Zur Geographie und Geschichte
römischer Herrschaft am Oberrhein
Die geographische Lage der Ortenau an der Ausmündung des
Kinzigtales aus dem Schwarzwald in den Oberrheingraben gab
ihr zu allen Zeiten eine überragende Bedeutung für Verkehr,
Handel und Kulturaustausch. Um die Zeitenwende erreichten
die Römer diesen Kreuzungspunkt zwischen den wichtigen
strategischen Achsen von Süden nach Norden und von Westen
nach Osten und besetzten im Laufe des ersten Jahrhunderts
nach Christus das fruchtbare Land. Zwischen dem Rhein als
wichtiger europäischer Verkehrsader von den Alpen bis zur
Nordsee und der Donaulinie als Verbindung von dem bereits
romanisierten Gallien längs der Voralpenzone zum Schwarzen
Meer gewann die Region als Teil des Imperium Romanum dreihundert
Jahre lang ihr besonderes Gewicht. Es spiegelt sich
wider im Ausbau eines gut funktionierenden Straßennetzes
und einer dichteren Siedlungsstruktur. Im Zusammenhang mit
der Eroberung Galliens in den Jahren 58-50 v. Chr. hatte Gaius
Julius Cäsar nicht nur die aus der Schweiz ausgewanderten Hel-
vetier besiegt, sondern auch den germanischen Suebenfürsten
Ariovist und seinen Stamm im südlichen Elsass geschlagen und
über den Rhein nach Osten vertrieben. Gallien wird als neueste
Provinz Teil des römischen Reiches, der Rhein bildet jetzt
die Grenze gegen die Germanen. Cäsar hatte durch seine zweimalige
Überquerung des Rheins allerdings bereits weitergehende
römische Herrschaftsansprüche jenseits des Grenzflusses
angemeldet, die später mit der Errichtung einer römischen
Provinz Germania den Besitz der bereits romanisierten Provinz
Gallia ergänzen sollten. Schon im Jahre 44 v.Chr. hatte er
durch seinen Freund Munatius Plancus am Rheinknie bei Basel
die Kolonie Augusta Raurica anlegen lassen, durch seine Ermordung
fand diese Politik aber zunächst keine Fortsetzung. Erst
nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen den Cäsarerben
Octavian und Antonius konnten diese Pläne durch eine aktive
Germanienpolitik wieder aufgenommen werden. Nach seinem
Sieg von Actium im Jahre 31 v. Chr. begann Octavian, jetzt
Augustus, mit gezielten militärischen Vorstößen über die Alpenpässe
bis zur Donau. Das Voralpenland wurde gesichert
durch die Errichtung der Provinzen Rätien und Noricum, die
später noch eine Rolle für die Ortenau spielen sollten. Diese
Alpenfeldzüge der beiden kaiserlichen Stiefsöhne Tiberius und
Drusus wurden von Drusus in den Jahren 12-9 mit Vorstößen
von den inzwischen gegründeten „castella Drusiana", den
Rheinkastellen, bis zur Weser fortgesetzt. Eines davon war das
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