http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2016/0083
Hans Harter
gewachsene Schwarzwälder standen mit den langen Stangen verteilt
auf dem Floß, der Floßmeister steuerte vorsichtig. Gegen Mittag
kamen wir in das Hauptwasser, wo das Gefälle stärker, die Tiefe
bedeutender wurde. Nun ging die Fahrt glatt, und fröhliche Zurufe,
heitere Lieder wurden unter den frischen, tätigen Männern laut.
Gegen Abend gelangten wir an eine kleine grüne Insel, mitten im
Fluß [...] Wir legten an [...] Rasch wurde ein Feuer angezündet und
die mitgebrachten Vorräte gekocht und verzehrt. Der Tag war anstrengend
gewesen, alle sehnten sich nach Ruhe [...]
Meine Begleiter und ich ließen uns vom Floßmeister [...] an das
linke Ufer übersetzen, das, etwas überhöht, uns für unser Nachtlager
geeigneter erschien [...] Brausen und Heulen eines orkanähnlichen
Sturmes, dumpfes Grollen weckte uns mitten in der Nacht. Ein starkes
Gewitter schien sich in der Nähe zu entladen [...] Wir waren bald
wieder eingeschlafen, da das Gewitter binnen kurzem vorbeizog. Ein
grauer nebliger Morgen weckte uns [...] Der Floßmeister war zum
Ufer hinunter gestiegen und plötzlich hörten wir ihn laut rufen [...]
Mit bleichem, ganz entgeisterten Gesicht deutete er wortlos auf die
graugelben, rauschenden Wogen des Aranyos, die heute mit doppelter
Geschwindigkeit zu jagen schienen, deutete hin auf die Mitte des
Flusses, aus dem gestern die Insel in lieblichem Grün herausgeragt
hatte ... nichts mehr war zu sehen als Wasser ... Wasser ... und
dort, wo das Tal einmündete, rechts und links ein Berg von Schlamm
und aufgetürmten Felsblöcken ... sonst nichts ... fort unser Floß,
entschwunden unsere braven Leute ... alle ... Kaum konnten wir es
fassen. Welche Schicksalsfügung hatte uns vor dem gleichen Ende
bewahrt? Das Gewitter hatte aufgehört. Die Wolken rissen auseinander
[...] Über dem Tale wölbte sich ein wunderbarer Regenbogen.
Stumm standen wir vor dem ergreifend schönen Naturschauspiel
und gedachten alle der vierzehn jungen Menschenleben, die von den
grausamen Elementen so spurlos hinweggerafft werden konnten.^
Anmerkungen
1 Sippenbuch der Trautwein aus Schiltach, hrsg. von der Stadt Schiltach, Schiltach 2009, Nr. 414.
2 Vgl. Hans Harter: Schiltach. Die Flößerstadt, Schiltach 2004.
3 Der Hochwald umfasste 19.146 Joch (= 11.009 ha): Theodor Zelinka: Die Einführung der Flößerei
auf der Ybbs, in: Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich NF 2 (1868), S. 183-
199, hier S. 184.
4 Ernst Neweklowsky: Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau, Bd. 1, Linz 1952,
S. 571-601.
5 Heinz Wiesbauer: Die Ybbs. Ein Fluss macht Geschichte, Wien 2015, S. 56. - Vgl. Hans Harter:
Flößer aus Schiltach im Schwarzwald und die Langholzflößerei auf der Ybbs 1865-1880, in: Historische
Beiträge des Musealvereins 37 (2012), hrsg. vom Musealverein Waidhofen an der Ybbs,
S. 35-52, hier S. 35.
6 Zelinka (wie Anm. 3), S. 186.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2016/0083