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Ulrich Coenen
sehr häufig und lassen für sich alleine nicht auf Repräsentationsräume
im Obergeschoss schließen. Wesentlich sind die
Raumhöhe und eine entsprechende Innenarchitektur.
Der Herkunft der Formensprache der Villa Walchner hat
bereits für Spekulationen gesorgt. Die Historiker Michael
Rumpf und Günther Mohr beschreiben den Charakter der Villa
in ihren bereits erwähnten biografischen Aufsätzen über
Walchner als mediterran bzw. italienisch und bringen dies in
Zusammenhang mit der Italienreise des Arztes. Dieser Hinweis
hat durchaus seine Berechtigung, allerdings gibt es keine direkten
italienischen Vorbilder durch die Bildungsreisen des Bauherrn
. Die Einflüsse sind vielmehr indirekter Natur und im
Zusammenhang mit der Weinbrenner-Schule zu sehen, deren
Begründer Friedrich Weinbrenner in der Tat die Eindrücke seiner
Italienreise (insbesondere antike Vorbilder) in seiner Architektur
verarbeitet hat.29
Im Hinblick auf ihre Formensprache ist die Villa Walchner
eine durchaus typische Schöpfung der Weinbrenner-Schule.
Zweifellos wurde das Gebäude aber nicht von einem akademisch
ausgebildeten Schüler der Karlsruher Weinbrenner-
Schule, also der Vorgängerin der Architekturfakultät der späteren
Universität, ausgeführt. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Bühler Architekten
. Führend in der Stadt waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts
der bereits erwähnte Baumeister Jacob Paniani und Zimmermeister
Ignatz Götz, also Architekten ohne akademische
Ausbildung, die aus dem Bauhandwerk kamen. Der aus Italien
stammende Paniani hat nicht nur 1844 den Bühler Bahnhof
gebaut, sondern 1838 Schloss Rittersbach aufgestockt und im
Sinne der Weinbrenner-Schule umgestaltet. Er war also mit
dieser Formensprache vertraut.
Ein weiteres Hauptwerk ist die bereits ausführlich beschriebene
Villa von Joseph Bielefeld an der Ecke Eisenbahnstraße/
Herbert-Odenheimer-Straße, die 1978 für den Bau des Modehauses
Pfeiffer abgerissen wurde. Die Parallelen zwischen der
Villa Walchner und der Villa Bielefeld sind unübersehbar. Die
jeweils zweigeschossigen Hauptfassaden über einem Sockel aus
Sandsteinquadern hatten (vor der Erweiterung der Villa Bielefeld
) jeweils fünf Achsen mit hochrechteckigen Sprossenfenstern
. Die Straßenfront wird im Fall der Villa Walchner durch
Lisenen, im Fall der Villa Bielefeld durch Pilaster gerahmt, die
Geschosse durch ein Gurtgesims beziehungsweise durch ein
durchbrochenen Gurtgesims getrennt. Es ist also sehr gut
denkbar, dass Paniani ebenfalls der Architekt der Villa Walchner
war.
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