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Heinz G. Huber
Abb. 1: Junge Frauen
mit dem „Strolch"
unterwegs (Archiv des
Verfassers)
andere war der Roller eine Art Autoersatz
, ein „leider auf zwei Räder gestelltes
Kind des Mangels"11. Damit war der Roller
ein Übergangsphänomen auf dem
Weg in eine automobile Gesellschaft.
Im Unterschied zum Motorrad
schützte eine aufwendige Blechkarosserie
vor Spritzwasser und Zug. Der Roller
verfügte über einen freien Durchstieg
und wurde im Sesselsitz ohne Bein-
schluss gefahren, was ihn zu einem
Fahrzeug für Rockträgerinnen machte.
Bis 1953 erlaubte die Straßenverkehrsordnung es der Sozia, auf
dem Beifahrersitz beide Beine im weiblichen Reitsitz auf der
Seite herunterbaumeln zu lassen (Abb. 1). Außerdem hatten die
meisten Roller 8-Zoll-Räder. Von Nachteil war, dass sich der
Motorblock wegen des freien Durchstiegs vor oder neben dem
Hinterrad und nicht in der Fahrzeugmitte befand; damit bestand
die Gefahr, dass sich der Roller beim Anfahren aufbäumte
. Die kleinen Räder bedingten eine geringere Geschwindigkeit
als beim Motorrad und Beeinträchtigungen bei schlechten
Straßenverhältnissen. Die aufwendige Karosserie brachte
aerodynamische Nachteile mit sich.12
Der Roller sprach jene Personengruppen an, für die ein Motorrad
nicht infrage gekommen war: Büroangestellte, Verkäufer,
Beamte, ältere Personen und Frauen.13 Der Anteil der Angestellten
unter den Rollerfahrern belief sich nach der Statistik vom
1. Juli 1953 auf 34,7%; 24,9% waren Arbeiter, 8,3% Beamte,
8,1% Angestellte im Handel, 7,2% Angehörige freier Berufe.14
Der Roller ermöglichte es, die Kleidungsetikette zu beachten:
„Dem Arbeiter, der im Blaumann auf seinem Kleinmotorrad zur
Fabrik ratterte, machten Wetter und Schmutz weniger aus, als
jenen schon etwas besser Verdienenden, auf die die Motorrollerstrategie
zielte. Die Anzugshose aus der Lederkluft heraus zu
pellen oder die Hosen auf der Firmentoilette zu wechseln, gehörte
sich nicht!"15
In den 1950er Jahren erforderten die gesellschaftliche Konventionen
, dass man sich im Büroberuf im Alltag und bei dem
Sonntagsausflug seriös kleidete:
„Wie sich Männer sonntags wie alltags in Anzug und Krawatte
kleideten, so Frauen in Kostüm oder Kleid. So wollten es auch die
Reklame und die Benimmbücher."16 (Abb. 2)
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