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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
96. Jahresband.2016
Seite: 409
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2016/0410
Ein Dorfüfarrer widersteht den Nazis

der Kirche die feierliche Sonntagsmesse gefeiert wurde. Zeitgleich
zur damals noch abgehaltenen Andacht am Sonntagnachmittag
(genannt „die Vesper")/ hielt dann der Kreisleiter
in der damals größten Wirtschaft des Dorfes eine Kundgebung
ab. „Der Saal war voll" schreibt der Pfarrer. Die Rede ist erhalten
, ein Vertrauter des Pfarrers hatte mitgeschrieben, der Kreisleiter
schloss pathetisch: „Für jeden Vater, für jede Mutter ist es
eine Ehre und eine Pflicht, ihre Kinder aus Vaterlandsliebe dem
Führer zu schenken" - zum Ende des Krieges werden im Dorf
231 Gefallene zu beklagen sein.

Bei der „Kreisleitung Offenburg, Adolf-Hitler-Haus" (Anm.:
auf dem Briefbogen ist die Anschrift nicht angegeben, nur
„Fernsprecher 2121") protestierte der Pfarrer „schärfstens gegen
die Störung des Gottesdienstes". Er wird zum Verhör vorgeladen
, „angebrüllt", wie er schreibt, und mit einer „StrafVerfügung
in Höhe von 150 RM" belegt (Anm.: im Jahr 1933 lag ein
durchschnittlicher Monatslohn bei ca. 140 RM).

„Kampf um die Jugend"

Inzwischen wurden wie überall im Reich auch im Dorf die
kirchlichen Jugendvereinigungen durch den „Reichsjugendführer
" Baidur von Schirach aufgelöst. Dabei waren es gerade
die Lehrer in der Volksschule, angeführt vom Schulleiter und
gleichzeitigen Ortsgruppenleiter, die auf die Schüler einen zunehmenden
Druck ausübten, in die „Hitlerjugend" (HJ) und in
den „Bund deutscher Mädel" (BdM) einzutreten. So wurde aus
den Reibereien zwischen dem braunen Bürgermeister im Rathaus
und dem Mann im Pfarrhaus, dem ehemaligen Frontsoldaten
, ein „Kampf um die Jugend", wie der Pfarrer formuliert.
Denn der Pfarrer wehrte sich natürlich gegen die Einvernahme
seiner Pfarrjugend in die HJ und in den BdM. Der Pfarrer hat
sorgfältig aufgeschrieben, wie das zuging und was die Schüler
und die Eltern ihm aus der Schule berichteten: „Wenn du", so
die Lehrer, „nicht zu uns kommst, dann bekommst du ein
schlechtes Zeugnis und dann bekommst du keine Lehrstelle.
Dann wird dein Vater bei der Eisenbahn (Schutterwald war
damals ein Bauern- und Eisenbahnerdorf) entlassen, oder er
wird versetzt, nach Köln oder Königsberg(I). Der Großvater
verliert seine Pension, der Vater bekommt als Handwerker
keine Aufträge mehr und ist erledigt." „Kein Papst und kein
Bischof kann euch helfen", hieß es zum Schluss, ergänzt um
die moralische Keule: „Und dann seid ihr selbst an allem
schuld."


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