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Ein Dorfpfarrer widersteht den Nazis
„Hochwürdigsten Herrn Erzbischof Dr. Gröber
", mit der „Bitte um Bestärkung, wie angesichts
dieser Not zu verfahren ist". Eine Antwort
des Erzbischofs blieb indessen aus.
Schließlich heftete er, und das hatte die Gestapo
in Offenburg ausdrücklich verboten,
Kopien des „Hirtenbriefs an Klerus und Volk
der deutschen Bischöfe vom 3. September 1933
an alle drei Türen seiner Kirche. Handschriftlich
ist mit rotem Stift in den Akten vermerkt:
„Wurde gelesen".
Schließlich ging der Pfarrer an die Öffentlichkeit
und kündigte für den Sonntag nach
dem schon erwähnten SA-Aufmarsch, für den 3. November
1933, eine „große Predigt" an. So geschah das auch. „Die
Kirche war überfüllt", schreibt er. Er berichtete, wie die Lehrer
in der Schule den Kindern in der Schule zusetzten, sprach von
den Eltern, die ihn in ihrer Not aufsuchen, beklagte das
Mädchen, das sich vor wenigen Wochen umbringen wollte.
Seinen Kampf verglich der Pfarrer mit dem Kampf Davids
gegen Goliath, „aber von einem Sieg kann die Gegenseite
niemals reden, auch wenn es in fetten Überschriften so dargestellt
wird".
Wohl ahnend, dass er sich in seiner „großen Sonntagspredigt
" weit hinausgewagt hatte - wenige Wochen zuvor war
der Stadtpfarrer von Ettlingen, Augustin Kast, in „Schutzhaft"
genommen worden, erst nach Kriegsende, nach zwölf Jahren,
kam er aus dem KZ Dachau frei - schloss er die „große Predigt":
„Sollten sich für mich unangenehme oder gar schlimme Folgen
ergeben, so spreche ich, wie einst am Weihetag in Freiburg:
, Sehet, ich stehe zur Verfügung - da bin ich'."
Der Oberlehrer und Ortsgruppenleiter - er hatte sich wenige
Tage zuvor mit dem Pfarrer gestritten und ihn angebrüllt, er
schäme sich, Katholik zu sein, worauf dieser ihn schriftlich
aufforderte, „er werde sich bis Sonntag für dieses freche Wort
entschuldigen" - war auf die Ankündigung der „großen Sonntagspredigt
" natürlich auch in die Kirche gekommen und hatte
fleißig mitgeschrieben. Zusammen mit weiteren Parteigenossen
, die auch zugehört hatten, was der Pfarrer von der Kanzel
herunter seinem Kirchenvolk verkünden musste, beeilte sich
der Herr Oberlehrer und Ortsgruppenleiter, den Pfarrer bei der
Staatsanwaltschaft Offenburg umgehend anzuzeigen, bereits
„gleich am Montagmorgen", wie der Pfarrer vermerkte. Die
Anzeige wurde an den SS-Oberführer und Minister des Kultus
und Unterrichts in Karlsruhe, Otto Wacker, weitergeleitet. Die-
Augustin Kast,
Ettlinger Stadtpfarrer
war ein entschiedener
Gegner des Nationalsozialismus
. Im Juni
1933 kam er in
„Schutzhaft".
(Foto: pr)
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