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^£ Natalie Gutgesell
Kirche eventuell um eine Kopie der Ellenrieder-Madonna aus
Ichenheim handeln? Eine generelle Kopiertätigkeit Alexandras
nach anderen künstlerischen Meistern ist bekannt.37 Warum
sollte sie nicht auch Werke Marie Ellenrieders kopiert haben,
der ersten Frau, die jemals an einer Kunstakademie im deutschsprachigen
Raum studieren durfte? 1813 beginnt Ellenrieder
ein Studium der Porträt- und Historienmalerei an der Königlichen
Akademie der bildenden Künste München bei dem Direktor
Johann Peter von Langer (1756-1824). Von 1822 bis 1825 hält
sie sich in Rom auf, wo sie die Kunst der Lukasbrüder, der sogenannten
„Nazarener", inspiriert, und wo sie 1824 beginnt, den
Heiligen Bartholomäus für Ortenberg zu malen.
Am 21. Oktober 1848 reist Alexandra von Berckholtz von
Ortenberg nach Paris ab, wo sie bis 1854 leben und arbeiten
wird.38 Nach Paris zieht es zwischen 1793 und 1870 mehrere
hundert Künstler aus dem deutschsprachigen Raum. Sie besuchen
die Ecole des beaux-arts oder nehmen Privatunterricht. Die
gefragtesten Historienmaler sind Jacques-Louis David (1748-
1825), Antoine-Jean Gros (1771-1835) oder Paul Delaroche
(1797-1856).39 Zur Zeit des Paris-Aufenthaltes von Alexandra
von Berckholtz zählt das 1847 durch Thomas Couture (1815-
1879) begründete Privatatelier zu den wesentlichen Schulen,
vor allem auch für deutsche Maler,40 wie z.B. für Anselm Feuerbach
. 1848 studiert Alexandra von Berckholtz im Atelier des
Historienmalers Joseph-Nicolas Robert-Fleury (1797-1890),41
der sie hinsichtlich des zeitgenössisch in der Kunst vorherrschenden
französischen Realismus maßgeblich beeinflusst,
den sie zeitlebens in ihren Porträts demonstriert: eine in allen
Einzelheiten genaue Zeichnung der Gesichtszüge, die sie bis
hin zur psychologischen Charakterisierung der Dargestellten
verfeinert. Alexandra von Berckholtz entwickelt ihren eigenen
Stil des Adelsporträts ab der Zeit bei Robert-Fleury. Sie verzichtet
bei ihren Baroninnen und Freiherrn in der Regel auf attributives
Beiwerk oder Requisiten im Hintergrund, die auf Stand und
Würde verweisen. Ihr Vater, der Freiherr Gabriel Leonhard von
Berckholtz, tritt uns nicht in einer Uniform und auch nicht vor
einem Vorhang oder vor Säulenmotiven gegenüber, wie dies zur
Zeit noch gängige Mode im Adelsporträt ist. Er trägt einen
schlichten dunklen Anzug, seine Physiognomie strahlt eine
menschliche Ruhe aus und kein landschaftlicher Hintergrund
lenkt von der Betrachtung seines Antlitzes ab. Vergleichbar
würdevoll führt uns Alexandra von Berckholtz einen anderen
Herrn vor, bei dem man aufgrund seiner aufrechten Haltung,
der hohen Stirn und des nachdenklichen Blicks sofort an einen
Gelehrten denkt: Johann Heinrich Neese (1795-1885) (Abb. 9).
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