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Manfred Merker
Zehn Tage danach hatte die Flaggenfrage auch ein hochoffi-
zielles Nachspiel. Oberbürgermeister Holler empört sich am
20. August in einem offiziellen Schreiben an die Veranstalter,
dass „nicht nur eine schwarz-weiß-rote Fahne aufgehängt, sondern
auch eine von der Stadt aufgehängte Reichsfahne entfernt
wurde". Außerdem seien am Eingang des Zwingerparks zwei
städtische Reichsfahnen entfernt worden. Er sieht diese Handlungen
nicht nur als große Unfreundlichkeit gegen die entgegenkommende
Stadt, sondern auch als „Widerrechtlichkeit
und als ein Vergehen gegen das Reichsschutzgesetz". Eine daraufhin
eingeleitete Untersuchung ergab, dass weder ein als
Ausrede benutzter Gewittersturm, noch ein anfangs verdächtigter
städtischer Arbeiter für den Flaggenaustausch verantwortlich
gemacht werden konnte. Vielmehr hatte der Schriftführer
des 172er Vereins eigenmächtig diese hochpolitische
Korrektur vorgenommen. Es spricht für die politische Voreingenommenheit
der damaligen Justiz, dass nach langen Recherchen
und Verhören die Anklage wegen Verstoßes gegen das
„Gesetz zum Schutz der Republik" fallengelassen wurde. Als
Begründung wurde geltend gemacht, dass „keinerlei Verbalinjurien
nachzuweisen" seien.
3. Zweites Nachspiel 20 Jahre später: Ein Revisionsbefehl
der französischen Besatzungsmacht 1946
20 Jahre nach der Denkmaleinweihung kam nach einem erneuten
, unendlich verlustreicheren Zweiten Weltkrieg die Debatte
um die Erinnerungskultur in Offenburg in eine neue
Phase. Wie 1927 stand auch hier im Hintergrund wieder das
Verhältnis der verfeindeten Nationen Deutschland und Frankreich
. Wie nach dem Ersten Weltkrieg mussten auch jetzt 1945
die deutschen Truppen das Nachbarland Elsass wieder verlassen
, Frankreich bestimmte als siegreiche Besatzungsmacht das
politische und gesellschaftliche Leben. In der großen Nachkriegskonferenz
von Potsdam waren Offenburg und Baden an
die französische Besatzungszone gefallen. Am 15.04.1945 rückten
die Einheiten des 23. französischen Kolonial-Infanterie-
Regiments in Offenburg ein. Ihre Soldaten besetzten die von
der Wehrmacht geräumten Ihlenfeld-Kasernen, zahlreiche Privatwohnungen
wurden beschlagnahmt, die Stadtverwaltung
stand unter der Kontrolle der französischen Stadtkommandantur
. Im Rahmen der allgemeinen Entnazifizierungsmaßnah-
men wurden 1946 nicht nur zahlreiche Straßennamen geändert
, auch andere Spuren militaristischer deutscher Vergangenheit
wurden unter die Lupe genommen:
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