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Manfred Merker
leicht waren ja auch der zunehmende Autoverkehr und der
täglich vorbeizuckelnde „Enteköpfer" eine mögliche Erklärung
für diese neuerliche Beeinträchtigung. Auf Beschluss des Ältestenrates
der Stadt wurde das Denkmal abgebaut, der grün
schimmernde stolze Bronzelöwe wurde im Offenburger Bauhof
erst einmal zwischengelagert.
Im Sommer 1986 wurde zwischen allen politischen Lagern
der Stadt eine heftige Diskussion geführt, die ihren Niederschlag
auch in den Leserbriefen der Presse fand. Der liberale
Fraktionsvorsitzende Dr. Gailer beklagte in einem offenen
Schreiben an Oberbürgermeister Grüber (SPD), dass die Versetzung
des Denkmals „bei einem großen Teil der Bevölkerung
Befremden ausgelöst und Gefühle der Tradition verletzt habe".
(OT vom 26.07.1986). Stefan Moser vom OT monierte daraufhin
ebenfalls, dass die Motive „im stillen Kämmerlein von OB
und Fraktionsausschuss vordergründig und nicht geschichts-
bewusst seien", nämlich Erweiterung der Fußgängerzone,
Schäden im Fundament und angebliche Rücksicht auf die
brüskierten Franzosen in der Stadt. Auf dieses Statement meldete
sich Ursula Flügler mit einem originellen eigenen Beitrag
Ende des Monats. Sie bemängelte, dass dieser Eingriff in das
Stadtbild das beziehungsreiche Ensemble des südlichen Stadtareals
erheblich beeinträchtige. Im Rückblick auf andere monumentale
Zeugnisse der Geschichte befürchtet sie, den Verlust
des historischen Bewusstseins, nach dem „jede Generation
nur das an Denkmalen stehen ließe, was ihr gerade in den
Kram passt". In einem passenden Gedicht bringt sie einen
versöhnlichen Ton in die Debatte, die zum Teil schon bizarre
Formen angenommen hatte:
Denk-mal
Adler, Löwen und Krieger
diesseits und jenseits des Rheins
für Besiegte, für Sieger?
Klagen sie deins oder meins?
Friedlich im Schatten des Löwen
sitzen im Straßencafe
deutsche Schüler mit ihren
Freunden aus Lons-le-Saunier.
Dagegen hatte drei Tage zuvor Hella Braun in der gleichen Zeitung
gefordert: „Vergeltungssymbolik: Der Löwe muss weg!"
Sie weist darauf hin, dass der Löwe schon bei der Denkmalseinweihung
als „blutgieriges Gewalt- und Vergeltungssymbol"
empfunden worden sei. Der Löwe würde eine kriegerische Gesinnung
ausdrücken, die „nicht zu der Trauer um die im Kriege
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