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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
97. Jahresband.2017
Seite: 188
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188 Karl Volk

Auf der Konsole die Jahreszahl MDXC (1590), ein Hinweis auf
das Alter des Hofes. Schwer zu deuten ist die allegorische Verzierung
auf der Konsole.

Die heilige Agatha erhielt nicht zufällig einen Platz auf diesem
alten, exponierten Hof. Die Skulptur ist eines der Beispiele,
wie der Volksglaube dem Dogma der offiziellen Kirche entglitt,
sich in abergläubischen Formen verselbstständigte und nur mit
Mühe zurückgedrängt werden konnte. Damit ist eine der
Grundfragen heimatgeschichtlicher Forschung berührt, wie
sehr Praktiken von außen sich in einer Gemeinde so sehr einnisteten
, dass sie nicht einmal mehr als fremd empfunden
wurden. Gerade Heiligen, von denen kaum Konkretes bekannt
ist, widerfuhr es, dass sich ihrer die Legende umso intensiver
annahm und ihre phantasievollen Ausschmückungen ganz
unkritisch für Wahrheit gehalten wurden. So soll Agatha ihre
Stadt Catania in Sizilien vor Pest und Hungersnot gerettet und
Kranke und Besessene geheilt haben. Mit ihrem Schleier ist die
Stadt vor den Lavaströmen des Ätna bewahrt worden. Dabei
war das schöne Mädchen der wütenden Verfolgung des lüsternen
, brutalen Statthalters Quintian ausgesetzt (Manns, S. 96f.).
Da sie seiner Zudringlichkeit widerstand, zwang er sie in ein
Bordell, ließ sie foltern, einsperren, ihr die Brüste abschneiden,
doch die Heilung erfolgte durch das Erscheinen des heiligen
Petrus - so die Legende. Schließlich erlag sie doch im Jahr 250
den Quälereien.

Ihre Verehrung und der Glaube an die Macht ihrer Fürbitte
kannte kaum Grenzen. Sie verselbstständigte sich zu abergläubischen
Bräuchen, denen die Kirche wehren musste. In den
Formularen der Visitationsberichte erscheint die Frage nach
dem Aberglauben in den Pfarreien, direkt auch nach „Agathenzetteln
". Allen Warnungen der Kirche zum Trotz war der Glaube
an ihre Wirksamkeit noch bis in den Zweiten Weltkrieg so groß,
dass eine Druckerei im Elsass Exemplare mit der magischen
Formel vertrieb. Ihr Platz war an der Innenseite der Haustüre.2
Der lateinische Text laut „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens
" Band I. Berlin und Leipzig 19273: Mens sancta, Spontanem
Honor Dei et Patriae Liberatio - M. S.S. H. D. E. P. L. -
Ignis a laesura protege nos, o Agatha pia. Adolf Hirth gibt die
deutsche Übersetzung: „Einen heiligen Sinn gib uns. Gott sei
Ehre und dem Vaterland Rettung. Vor den Schäden des Feuers
schütze uns, heilige Agatha!" Agatha ist (wie Florian) die große
„Feuerheilige", die als Patronin der Erzgießer sowie der Hochofen
- und Bergarbeiter verehrt wurde.4

Vom Leutschenbachseppenhof wurde noch in den letzten
Jahren erzählt, seine Bewohner hätten geglaubt, solange diese


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