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Volkstümliche Kunst: Kleindenkmäler in Gremmelsbach
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Statue hier stehe, werde der Blitz nicht einschlagen, für diese
Höhenlage und bei der Neigung früherer Zeiten zum Aberglauben
das Nächstliegende und beinahe eine Selbstverständlichkeit
. Ein übergroßer Talisman also? Und tatsächlich: Nicht der
Blitz brachte dem Hof das Ende, sondern der Abbruch in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus schienen
Anrufungen der heiligen Agatha um Beistand im bäuerlichen
Alltag schier unbegrenzt. An ihrem Festtag (5. Februar) wurden
Brot, Wein, Wasser, Früchte und Kerzen geweiht. Solches Brot
schimmelt nicht. Will aus dem Rahm keine Butter werden, so
hilft ins Butterfass gelegtes „Agathabrot", es wurde an Menschen
und Tiere verteilt. Ihm soll auch die Kraft gegeben gewesen
sein, Feuer zu löschen. Es schützt Äcker vor Ungeziefer und
Kornbrand. Im tiefen Wasser zeigt es den Ertrunkenen. Der
heiligen Agatha geweihtes Mehl schützt vor „hitzigen Krankheiten
", hilft auch bei Heimweh. Unverkennbar magische Wirkung
zeigt es gegen Hexen und böse Geister. Ob alles dies die
Besitzer des Leutschenbachseppenhofs auch wussten, und die
Heilige außer bei Gewittern in entsprechenden Situationen
anriefen, ist nicht mehr erforschbar.
III. Das Höhengasthaus „Staude"
Erstaunlich gut erhalten sind die Gravuren, den Besitzern
wichtig erscheinende Angaben als Verzierungen auf den Balken
(Abb. 3), über dem Eingang zum Höhengasthaus zur „Staude".
Bilder fanden in einer „bilderlosen" Zeit weit größere Beachtung
als in unserer von Illustrationen überschwemmten Gegenwart
, und dementsprechend wurde ihnen größere Bedeutung
beigemessen.
Die gesamte Fassade beherrschend ist das zweifelsfrei barocke
Kruzifix über dem Eingang (Abb. 4). Wer es geschaffen hat,
liegt im Dunkel. So muss der Stil die einzige Aussage über das
beträchtliche Alter des Kunstwerks bleiben. Kreuze an Hausfassaden
sind gar nicht so selten, waren früher vielleicht noch
verbreiteter. In Gremmelsbach sind sie am Dieterlebauernhof
und am Oberen Schafberg noch erhalten. Wir erinnern uns,
dass Gremmelsbach um diese Zeit noch keine Kirche hatte,
auch Hofkapellen von damals sind nicht bekannt. So brachte
man christliche Symbole an, wo irgend es sinnvoll erschien.
Beachtenswert ist am rechten Balken, dass man das Haus
unter den Namen der Heiligen Familie und dem Gebet „JESUS
UND MARIA UND JOSEPH BEWAHRE DISES HAUS" betritt.
Dieses Gebet steht an höchster Stelle, von Besitzer und Schnitzer
gewiss nicht zufällig gewählt.
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