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Andre Gutmann
gründe lag, sondern auf einer vor allem durch Nachrichten
und Gerüchte angetriebenen judenfeindlichen Grundstimmung
in der Bevölkerung berichten, die teilweise noch durch
die Kirche weiter angefacht, aber auch durch zeitgleiche politische
Unruhen und ökonomische Konflikte befeuert wurde. In
vielen Städten in ganz Europa und dem Reich spielten Juden in
dieser Zeit eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Urbanen
Wirtschaft, weil diese eines ausgebildeten Kreditwesens
bedurfte, das zu einem großen Teil auf dem von den Juden betriebenen
Geldhandel und Geldverleih - zugleich häufig der
einzige Erwerbszweig, der ihnen von Seiten ihrer christlichen
Mitbürger zugestanden wurde, - basierte. Gerade in Reichsstädten
gehörten die jüdischen Gemeinden zu den königlichen
„Kammerdienern" und stellten über die zu leistenden Judensteuern
erhebliche Einnahmefaktoren für das grundsätzlich finanzschwache
Königtum dar. Die von jüdischen Kaufleuten
und Geldhändlern gewährten Kredite für Bürger und Adlige
führten jedoch dazu, dass vor allem diese ein Interesse an der
gewaltsamen „Bereinigung" ihrer Schulden entwickelten, sei es
durch Vertreibung oder gleich Tötung ihrer Gläubiger.13
In den Städten führte dies, vor allem im Winter 1348/49, zu
gut organisierten Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung,
die kollektiv gefangengesetzt, gefoltert und anschließend hingerichtet
wurde, vielfach durch Verbrennung. Zwar gab es
durchaus auch mahnende Stimmen, die nach eindeutigen Beweisen
statt unter Folter erpressten Geständnissen riefen, und
auch nicht jede städtische Obrigkeit war dazu geneigt, dem
aufgeheizten Volkszorn willfährig zu entsprechen, zumal Judenpogrome
als Auftakt oder Begleiterscheinung zu größeren
Unruhen politischer Art gesehen wurden, die leicht in einen
Umsturz der bisherigen politischen Ordnung und Ablösung
der bisherigen Führung münden konnten.14 Zu den opferreichsten
Pogromen im südwestdeutschen Raum gehörte der
vom 14. Februar 1349 in Straßburg, in dessen Verlauf die gesamte
jüdische Gemeinde - chronikalische Berichte gehen von
bis zu 2000 Personen aus - durch Feuer hingerichtet wurde.15
In einem erfolglosen Versuch, die eigene Bevölkerung zu beruhigen
, hatte der Straßburger Rat allerdings bereits im Sommer
1348 mehrere Juden verhaften, foltern und hinrichten lassen.
In Reaktion darauf hatte die Stadt Köln noch im August und
danach noch einmal im Dezember 1348 den Straßburger Rat
um Informationen über die Verurteilung einiger Juden wegen
Brunnenvergiftungen gebeten und im Januar 1349 nochmals
explizit davor gewarnt, aufgrund unbewiesener Gerüchte
gegen die Juden vorzugehen,16 doch verhallte diese Warnung
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